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Die Debatte um die kostenlose Verteilung des Korans, die mittlerweile etwas abgeflaut ist, wurde natürlich auch in unserer Redaktion geführt. Salafisten mögen wir nicht, soviel steht fest. Ob man sich über die Verteilung kostenloser Merchandisingprodukte aber freuen oder ärgern, und was man mit ihnen anstellen soll, bleibt letztlich jeder und jedem selbst überlassen. Interessanter ist die Frage, welches lesenswerte Druckerzeugnis eigentlich gratis verteilt werden sollte. Auf die Wunschliste der Redaktion hätte es der Koran – Insha’ Allah! – zumindest nicht geschafft. Eine Kollegin gab sogar zu, vermutlich selbst eine Ausgabe zu Hause zu haben, aber sicher sei sie sich dessen nicht, denn nicht ein einziges Mal habe sie reingeschaut. Womöglich sei das Buch schon ganz von konvertierten Leseratten zerfressen. Gar gotteslästerlich äußerte sich ein anderer Kollege, der am liebsten die atheistische Kampfschrift »Die Gottespest« von Johann Most verteilen würde. Im Layout werden Bücher sowieso nicht »gelesen«, da wünscht man sich lieber ein schönes Bilderbuch wie »Der kleine Drache Kokosnuss«. Der Koran (Bilderverbot!) kommt da wohl nicht in Frage. Das Lektorat beweist hingegen Geschäftssinn bzw. Schnäppchenjägertum: Dünne Bücher würden sich ja gar nicht lohnen, dann lieber gleich den Talmud in Dutzenden Bänden gratis, meint der eine Lektor, für den »Wohlstand der Nationen« von Adam Smith plädiert der andere. Er brauche kein Buch, denn er habe ja bereits eines, erklärt hingegen der Kollege vom Thema. »Wer braucht schon Bücher?« pflichtet ihm die Kollegin bei. Was genau damit gemeint war, bleibt unklar. Entweder ist die Neuzeit in diesem Ressort noch nicht angekommen oder es ist bereits alles digitalisiert. Im Feuilleton fällt die Auswahl natürlich schwer. Es gebe einfach zu wenig gute Bücher und sie selbst habe ja auch noch keines geschrieben, meint die Redakteurin. Aber gerne würde sie Christiane Rösingers Buch »Liebe wird oft überbewertet« an die Pärchen im Görlitzer Park verteilen, um etwas schlechte Laune zu verbreiten. Auf schlechte Laune hat es wohl auch das Inland abgesehen, zudem ist der Trash-Faktor dort hoch. Das schlechteste Buch seit langem, die Biographie von Slash, dem Guns N’ Roses-Wischmopp, wolle die Kollegin verteilen. Ernst meint es hingegen ihr Kollege mit seiner Vorliebe für »Alien Vault: The Definitive Story Behind the Film« von Ian Nathan. Nie gehört? Gibt’s ja demnächst gratis. Allein die Geschäftsführung weiß jedoch, was in Deutschlands Fußgängerzonen tatsächlich gebraucht wird: »Lügendetektor« von Saul K. Padover. Und das Ausland nimmt einfach mal alles mit und gibt die Bücher, die es nicht braucht, günstig weiter.