Markenschutz

»Wir sind das Volk« – man hatte diesen Sommer Angst, sie würden es wieder rufen, die Bürger von Leipzig. Der Stadtrat stand kurz vor dem Entschluss, Asylbewerber künftig nicht mehr in Wohnheimen am Stadtrand, sondern in normalen Wohnvierteln mit ganz normalen Nachbarn unterzubringen. Dagegen wurden Anwohnerdemons­trationen organisiert, Bürgerinitiativen gegründet und Sitzungen in den betroffenen Stadtbezirken abgehalten, bei denen kein rassistisches Stereotype ausgelassen und die Verantwortlichen mit der Verve von 1989 beschimpft wurden. Meinungsfreiheit nannten das die Bürgerinnen und Bürger. Zugleich hatte die Stadt Leipzig das Monopol auf die Wortmarke »Wir sind das Volk« beim deutschen Patent- und Markenamt übernommen. In honoriger Absicht, denn nicht jeder solle diesen Slogan verwenden dürfen, vor allem solle er vor dem »Missbrauch« durch Nazis bewahrt werden, erklärt die Pressestelle der Stadt. Damit wurde ein zweites Mal die Einheit von Parole und »Volk« gekappt. Das erste Mal durch die Wende in der Wende, als das Wörtchen »das« durch »ein« und damit der Wunsch nach Repräsentation durch die Hoffnungen auf die nationale Einheit abgelöst wurde. Die Wortmarke regt zu Spekulationen an. Hätten diejenigen, die im Sommer ihre Eigenheimidylle gegen Ausländer verteidigen wollten, gerufen »Wir sind das Volk – aber ohne die Fremden«, hätte die Stadt ihre Markenrechte verletzt gesehen? Der Pressesprecher der Stadt, Markus Hassberg, winkt ab: »Solange sich das niemand auf eine Tasse druckt, sind wir machtlos, das ist Meinungsfreiheit.« Ohnehin würde bei Stadtratssitzungen regelmäßig irgendjemand von den Besucherplätzen rufen »Wir sind das Volk«, weil ihm nicht passe, was seine Vertreter entscheiden. Da ist wiederum das »Volk« in der repräsentativen Demokratie am Ende machtlos. In diesem Fall heißt das, die deutsche Bevölkerung in Leipzig kann sich seine Nachbarn nicht nach rassistischen Kriterien aussuchen. Und das ist gut so.