Der Streit um das NPD-Verbot

Ja, nein, vielleicht

Die Bundesregierung streitet über ihre Haltung zum NPD-Verbotsverfahren.

Manchmal kann man sogar mit jemandem wie Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ein bisschen Mitleid haben. Hatte er am Montag vergangener Woche auf einer CSU-Landesgruppen­sitzung noch verkündet, die Bundesregierung habe »keine andere Möglichkeit«, als sich dem im Dezember beschlossenen NPD-Verbotsantrag der Länder anzuschließen, klang das kurz darauf schon wieder sehr viel kleinlauter. Darüber, ob die Regierung den Antrag der Länder unterschreiben oder sich mit einem eigenen Verbotsantrag an das Verfassungsgericht wenden werde, gebe es »weder eine Entscheidung, noch eine Festlegung, noch eine Tendenz«, hieß es nun aus dem Innenministerium.

Grund für diesen Rückzieher dürfte die Kritik des Koalitionspartners FDP sein, der einem NPD-Verbotsverfahren mehrheitlich skeptisch gegenübersteht. Die Begründungen für die Bedenken sind seit Jahren die gleichen und werden nicht nur von der FDP vorgebracht: Ein Verbotsverfahren verschaffe der Nazipartei unnötige Öffentlichkeit, ein erneutes Scheitern könne ihr gar ungewollt zu Popularität verhelfen; aber auch ein erfolgreiches Verbot werde die rechte Szene nicht daran hindern, sich dann eben anderweitig zu organisieren.
Und: Ein Parteiverbot könne die politische Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut nicht ersetzen, wie kürzlich wieder der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stefan Ruppert, und seine Parteifreundin, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, betonten.
Das ist ein schönes, einleuchtendes Argument – es wäre allerdings um einiges glaubwürdiger, wenn die FDP tatsächlich nennenswerte antifaschistische Aktivitäten vorweisen könnte. Stattdessen sorgt ihr wirtschaftsliberaler Extremismus dafür, dass die Abstiegsängste des Kleinbürgertums wachsen, und schafft damit jenen Nährboden, auf dem faschistische Ideologien bestens gedeihen.
Eine weitere Begründung, die bis 2011 zu den Klassikern bei der Ablehnung eines erneuten NPD-Verbotsverfahrens zählte, war in jüngerer Zeit hingegen nicht mehr zu vernehmen: die Befürchtung, ein Verbot werde dazu führen, dass sich die Naziszene der Beobachtung durch Polizei und Verfassungsschutz durch ein Abtauchen in die Illegalität entziehen würde. Dass dies auch neben einer legal agierenden NPD und unter der sorgsamen Obhut der Behörden geschehen konnte, haben die Aufdeckung des NSU und erst recht des Verfassungsschutzsumpfs drumherum hinlänglich gezeigt.

Schon allein die Tatsache, dass die FDP dagegen ist, wäre Grund genug, ein NPD-Verbotsverfahren zu befürworten, auch wenn das Argument nicht von der Hand zu weisen ist, dass sich auch im Fall eines Erfolgs vor dem Verfassungsgericht die Nazis nicht einfach in Luft auflösen werden. Immerhin wäre ihnen dadurch aber der Zugang zu staatlichen Geldern und Institutionen entzogen, und nicht zuletzt wäre ein Parteiverbot ein wich­tiges Signal, dass Nazis eben keine legitime Meinung unter vielen vertreten. Es bleibt die Frage nach den Erfolgsaussichten.

Dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, reicht bekanntlich noch nicht aus, um ein Verbot zu begründen; es müssen auch Beweise vorliegen, dass sie dies »aggressiv und kämpferisch« tut, und zwar solche, die dies nicht nur unbedarften Laien einleuchten lassen, sondern sogar paragraphenbewehrten Volljuristen. Aber es war ja auch nicht Mangel an Beweisen, woran 2003 das erste Verbotsverfahren scheiterte, sondern die Tatsache, dass zahlreiche Parteifunktionäre als V-Leute auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes standen. Das soll nach Angaben der Innenminister der Länder jedoch seit April vergangenen Jahres vorbei sein.
Wenn die Länder wollen, dass die Bundesregierung sie beim Verbotsverfahren unterstützt, könnte man ihnen übrigens raten, einfach bis nach der Bundestagswahl abzuwarten. Es spricht alles dafür, dass die FDP danach in dieser Frage nichts mehr mitzureden haben wird.