Radikale Abtreibungsgegner beim Katholikentag in Regensburg

Gott berät nicht

Auf dem Katholikentag in Regensburg trafen sich neben gewöhnlichen Gläubigen auch gläubige Rechte, Neurechte und Abtreibungsgegner.

Vergebung und Nächstenliebe? Keineswegs. Schon im Voraus hatte es heftige Streitigkeiten unter den Organisatoren des 99. Katholikentags gegeben, der vom 28. Mai bis 1. Juni im bayerischen Regensburg stattfand. Auf der einen Seite stand das Zentralkomitee der deutschen Katho­liken (ZdK), dem Vertreter katholischer Verbände und Laienorganisationen angehören, auf der anderen das Bistum Regensburg, dessen Bischof Rudolf Voderholzer als kompromissloser Abtreibungsgegner gilt.
Der Bischof wollte dem der katholischen Kirche nahestehenden Verein Donum Vitae die Teilnahme in Form eines Informationsstands verbieten. Donum Vitae setzt sich zwar nach eigenen Angaben »für den Schutz des menschlichen Lebens« ein, bietet aber Schwangerschaftskonfliktberatungen an und stellt Beratungsscheine aus, die den straffreien Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Den Ausschluss des Vereins verhinderte das ZdK, indem es mit der Absage des Katholikentags drohte. Schließlich einigten sich die Kontrahenten darauf, eine Podiums­diskussion zum Thema »Lebensschutz« anzubieten. Hierzu sollten sowohl liberale »Lebensschützer« wie der Verein »Donum Vitae« als auch un­erbittliche Abtreibungsgegner auf dem Podium sitzen. Diese werfen Organisationen, die Schwangerenkonfliktberatung betreiben, Beihilfe zum Mord vor.

Offenbar wollte Bischof Voderholzer jedoch diversen rechten und rechtsextremen »Lebensschützern« auf dem Katholikentag die Gelegenheit geben, homophobes und antifeministisches Gedankengut zu verbreiten. Denn aus dem Angebot von über 333 Veranstaltungen, die am 29. Mai stattfanden, wies das Bistum Regensburg in seinem Rundbrief gerade auf die Veranstaltung hin, deren Podium ausschließlich von homophoben und konservativen Rechten beziehungsweise extrem Rechten besetzt war. Unter anderem sprach Christa Meves zum Thema »Ökologie des Menschen. Über einen von Papst Benedikt XVI. in die Debatte gebrachten Begriff«. Das 89jährige Idol der Abtreibungsgegner hetzte unter tosendem Applaus der 150 anwesenden Zuhörenden gegen homosexuelle Menschen und Frauen, die sich zu einer Abtreibung entschließen. Der Mensch verstoße durch Homosexualität und durch das Recht auf Selbstbestimmung der Frau gegen die »Naturordnung«. Deshalb war Meves’ Fazit auch nicht überraschend: »Wer der Natur nicht gehorcht, wird von ihr zerstört.« Auch der Moraltheologe Matthias Beck aus Wien richtete seine Worte gegen diejenigen, die gegen das »Naturgesetz« verstoßen würden.
Widerspruch kam in der Veranstaltung nicht auf, es schien, als handele es sich um ein Vernetzungstreffen von Abtreibungsgegnern. Verwunderlich war dies nicht, die Schirmherrschaft für die Veranstaltung hatte die Arbeitsgemeinschaft Lebensrecht München übernommen. Diese organisiert in der bayerischen Landeshauptstadt jedes Jahr einen Marsch unter dem Motto »1 000 Kreuze für das Leben«, an dem auch schon Neonazis wie Norman Bordin teilnahmen.
Die acht Podiumsteilnehmer sprachen über Themen, die auch Rechtsextreme bewegen, wie die angeblich drohende Auflösung der Familie durch das Recht auf Abtreibung. Daneben blieb noch genug Zeit, um Homosexualität, Transgender, Gender-Mainstreaming, Selbstbefriedigung und selbstbestimmte Sexualität als Sünde zu verteufeln. Als gemeinsamer Bezugspunkt diente den Referierenden ein nebulöses »Naturgesetz«, dem nur die Familie aus Mann, Frau und Kindern entspreche. Für den Verfall dieser Familie wurden die 68er-Bewegung und der Feminismus verantwortlich gemacht. Selbst der Moderator der Veranstaltung, Alexander Kissler, dürfte einer Meinung mit seinen Gästen gewesen sein. Er schreibt unter anderem für das neurechte Magazin Eigentümlich Frei, das wiederum enge personelle und inhaltliche Verbindungen zur extrem rechten Junge Freiheit hat.

Auch Birgit Kelle schreibt in der Jungen Freiheit. Die Journalistin durfte sich in der Donnerstagszeitung, der Postille des Katholikentags, über Ver­anstaltungen zum Thema Homosexualität empören und ihr reaktionäres Familienbild verbreiten. Für das Bistum Regensburg moderierte sie in einem Regionalsender eine Sondersendung zum Katholikentag. Auch Kelle ist eine unerbittliche Abtreibungsgegnerin, dies zeigte sie am 30. Mai während der Veranstaltung »Schwangerenberatung und Schwangerschaftskonfliktberatung. Zum Schutz des ungeborenen Lebens als gemeinsame Aufgabe«, an der auch Vertreter von Donum Vitae teilnahmen. Für Kelle ist Donum Vitae »der Abrissbagger der Brücke zum Kind«, ein Recht der Frau auf Selbstbestimmung lehnt sie ab. Auch Bischof Voderholzer hatte zur Eröffnung des Kirchentags erneut gezeigt, welcher Strömung in der Debatte um den »Lebenschutz« er angehört, und den straffreien Schwangerschaftsabbruch als ein »Massaker im Mutterleib« bezeichnet. Unter den 600 Besuchern der Veranstaltung mit Donum Vitae war er nicht.
Auf dem Podium selbst war deutlich erkennbar, wie sich das katholische Lager in der Frage des »Lebensschutzes« aufteilt. So sprach sich die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) für Donum Vitae aus. Sie möchte in sozialpädagogischer Manier den Kontakt zur Schwangeren, die sich noch im Entscheidungsprozess befindet, halten und sieht den Beratungsschein daher als akzeptable Kompromisslösung. Dagegen wandte sich Manfred Spieker. Der Sozialethiker setzt Schwangerschaftsabbruch mit Mord gleich. Demgemäß sieht er in Ärzten und Frauen, die abtreiben, Mörder. Den notwendigen Beratungsschein für einen Abbruch bezeichnete Spieker auf dem Podium als »Lizenz zum Töten« und als »Passierschein ins Elend«.
Ein weiteres Mitglied in der Runde der »Lebensschützer« auf dem Podium war die Referentin Sophia Kuby. Genau wie ihre Mutter, Gabriele Kuby, die in der Jungen Freiheit publiziert, sieht sie den demographischen Wandel als Resultat von Abtreibungen. Den liberalen »Lebenschützern« stellt sie eine Bedingung: »Wer für das Recht auf Leben ist, kommt zum ›Marsch des Lebens‹ im September in Berlin«. Ob Donum Vitae als Unterstützer des reaktionären Aufmarschs auftreten wird, soll auf der Bundesvorstandssitzung im Juli geklärt werden. Mit vielen Teilnehmern aus dem Lager der liberalen katholischen »Lebensschützer« wird in Berlin wahrscheinlich nicht zu rechnen sein, findet doch zeitgleich der Bundeskongress von Donum Vitae in Mainz statt.
Für den Aufmarsch in Berlin wurde auch auf der »Katholikentagsmeile« geworben, auf der ­etliche Abtreibungsgegner ihre Informationsstände aufgebaut hatten. Dort wurde mit Informa­tionen, die man »so nirgendwo anders erfährt«, also mit unwissenschaftlichen Informationen moralisierend bis dämonisierend gegen Schwangerschaftsabbrüche gehetzt. So gab es am Stand der »Aktion Leben e. V.« wie auch bei der »Aktion für das Lebensrecht für alle e. V.« kleine Plastik­föten zum Mitnehmen, die ein »Baby in der 10. Woche darstellen sollen« – das wohl abstoßendste Werbegeschenk in der Geschichte des ­billig produzierten Plastiknippes.

Auch Klaus Günter Annen, Träger der Auszeichnung »Lebensrechtler des Jahres 2003«, hatte auf dem Kirchentag einen Informationsstand aufgebaut. Er warb dort für seine Homepage »babycaust.de« und die Initiative »Nie wieder e. V.«. Nach seinen Aussagen finanziert Deutschland mit der Abtreibung einen Völkermord – am eigenen Volk! In einem Interview mit dem antisemitischen, islamistischen Portal Muslim-Markt sagte Annen: »Weltweit werden jährlich ca. 60–80 Millionen ungeborene Menschen ermordet. Angesichts solcher Zahlen kann man sich schon die Frage stellen: Was war da der Holocaust?« Auch das katholische, rechte Nachrichtenmagazin »kath.net« und die Junge Freiheit berichten äußerst wohlwollend über Annen und »babycaust.de«.
Auf Annens Namen läuft auch die Seite »abtreiber.com«, auf der Namen und Adressen von Ärzten veröffentlicht werden, die Abtreibungen vornehmen und dort »Abtreibungslobbyisten« genannt werden. Annen gilt als Pionier im Milieu der »Lebensschützer«. Denn seine Seite dient dazu, Gegner öffentlich zu machen und damit auch möglichen Drohungen oder gar militanten Angriffen auszusetzen. Auch die liberalen »Lebenschützer« von Donum Vitae werden von Annen aufgeführt: als Helfer des Teufels.