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Es gibt auch in der ach so hierarchiearmen, schmusibusi Jungle-Welt eine letzte Instanz. Sie sitzt in einem kleinen Zimmerchen am Ende des Flures und wird entweder als »Korrektur« oder besser »Lektorat« bezeichnet, sofern man sie überhaupt beim Namen nennt. Besser flüstert man »L*ktorat« und widerspricht niemals dem unbestechlichen Urteil des Hohen Gerichts. Diese Woche sah aber der doppelt besetzte Rat der Weisen ziemlich alt aus. Ein neunjähriges Kind, ein echtes Dschungelgewächs, saß am Eiermann-Konferenztisch und grübelte über seine Hausaufgaben. Nachdem weder die Geschäftsführung noch Redakteure helfen konnten, musste also der Senat ran. Deutsch für die vierte Klasse, das sollte doch zu schaffen sein. »Finde die Mehrzahlformen. Achtung! Drei Wörter gibt es nur in der Einzahl«, lautete die Aufgabenstellung. Dazu folgende Auswahl: »Traktor, Veranda, Speichel, Reck, Logik, Globus, Föhn, Pizza, Liga, Auspuff, Spinat, Limonade«. Nur mal eben im Duden nachzuschlagen, ist unsere Sache natürlich nicht, schließlich sind wir ideologiekritisch geschult, politisch versiert und ambitioniert. Wir wissen, dass es einen Unterschied zwischen Singular und Singularität gibt. Dass Sprache ein gesellschaftliches Gebilde und damit Teil jeder kulturellen, philosophischen, anthropologischen und politischen Auseinandersetzung ist.
Und je länger man darüber nachdenkt desto unlösbarer erscheint diese Aufgabe. Auspüffe? Auspuffs? Nie gehört. Föhne? Föhns? »Meistens kommen die ja nur einzeln vor«, hieß es da kleinlaut. Immerhin, das Lektorat verfügt: »Bei aus dem Deutschen stammenden Worten wird der Plural niemals mit -s gebildet.« Gut, Speichel und Spinat, das erschien noch relativ einfach. Aber Nummer drei? »Zwei Logiken wäre doch unlogisch«, lautete eine Überlegung, doch anderseits ist ja auch immer wieder von »Politiken« und »Praxen« die Rede »und es kann ja verschiedene Auffassungen von Logik geben«, war ein Einwand. Und die deutschen Mehrzahlformen von Pizza – sind die nicht bloße Umgangssprache, so wie »zwei Espressos«? Und überhaupt: Sogar die Mehrzahl gibt es nur in der Einzahl. Wir hoffen, dem Kind letztlich doch geholfen zu haben. Die Sechs geht ansonsten auf unsere Kappe.
Von dieser kleinen Irritation am Nachmittag abgesehen, läuft es aber wie geschmiert. Diese Ausgabe mussten wir in Rekordzeit produzieren, während wir parallel schon emsig mit den Vorbereitungen für unsere Österreich-Sondernummer beschäftigt waren. Wenn Sie dieses Heft in den Händen halten, sind wir schon längst in Wien und lassen das Riesenrad rotieren. Nur packen müssen wir noch: Rotstifte, Druckerpapiere, Diktiergeräte, Fotokameras – aber bitte jeder nur einen Föhn!