Unser sozialistisches Büro

Homestory #34

Wer eine Zeitung drucken will, braucht kein Telefon. (Unser Telefon ist kaputt.)

Vor 50 Jahren wurde das Sozialistische Büro (SB) gegründet, es war bis Ende der neunziger Jahre aktiv. Die Auseinandersetzungen im SB über linke Organisationsformen dokumentiert und kommmentiert unser Imprint im Dschungel. Das Sozialistische Büro ist tot, es lebe das sozialistische Büro! Und damit meinen wir eine Redaktionsetage im gentrifizierten Berlin-Kreuzberg: Unser Telefon ist kaputt. Erst zeigte es nur mysteriöse Zeichen auf dem Display an, dann gab es nicht mal mehr ein Freizeichen, am Ende stellte der Techniker fest, dass das Netzteil einen Wackelkontakt hat. Jetzt ist es endgültig stumm und wartet auf ein Ersatzteil.

Nun ist es glücklicherweise so, dass das Telefon nicht mehr zwingend notwendig ist, um eine Zeitungsredaktion am Laufen zu halten. Würde hingegen der Drucker den Geist aufgeben oder gar die Internetverbindung zusammenbrechen, könnte das ernsthaft die Produktion gefährden. Doch dem Drucker geht höchstens mal das Papier oder der Toner aus, nicht aber die Puste.

Obwohl das Telefon also meist eh still steht, fängt man doch an, es zu vermissen, sobald man es nicht mehr benutzen kann. Die am häufigsten getätigten Anrufe sind die innerhalb der Redaktion, um fix den Stand eines Textes mitzuteilen. Mit manchen Autorinnen und Autoren hält man aber doch ab und zu einen Plausch. Die Nummern werden in der Jungle World von manchen Redakteuren noch so aufbewahrt wie vor 20 Jahren, nämlich in einer Rotationskartei– Sie wissen schon, so ein kleines Gerät aus Plastik, deren darin befestigte Karteikarten man schwungvoll drehen kann, bis man den richtigen Namen plus Telefonnummer gefunden hat. Manche Karten sind schon so porös geworden, dass das Papier zu reißen droht.

Auch sonst mutet vieles in der Redaktion ganz altmodisch an, als wäre man in einem Bürobedarfshandel gelandet: Hier findet man Radiergummis, Briefablagen, Aktenordner und spießigen Teppichboden. Vom Ambiente her, wenn auch nicht unbedingt politisch, hätte sich Rudi Dutschke hier bestimmt wohl gefühlt.