Der musikalische Auftritt der SPD

Oje, o weh, o jemine

Auch wenn die Tagesberichterstattung sie meistens ignorierte, es waren die musikalische Probleme, die die SPD behinderten. Bei einer Partei, die sich bestenfalls auf oje, o weh, o jemine und FDP reimt, ist das nicht weiter verwunderlich. Lange schien es so, als habe man sich damit abgefunden, denn alle Versuche, die SPD songtechnisch voranzutreiben, scheiterten kläglich. Sei es der Clip zum Europawahlkampf 1989, in dem entfesselt-fröhliche Jungwähler zu einer Melodie, die verdächtig nach "Give peace a chance" klang, bekannten "Wir sind Europa", was die Wählerschaft insgesamt eher ängstigte, oder seien es die Bilder vom Wahlparteitag für Engholm, auf denen die sozialdemokratische Führungsriege mit einem Tau simulierte, daß sie an einem Strick zieht, und dazu den Song "Das weiche Wasser bricht den Stein" anstimmte.

Dieser verheerende musikalische Eindruck wurde nur noch übertroffen, wenn die Genossen sich selbst auf den Tanzboden wagten. Bei offiziellen Anlässen wie dem Bundespresseball, wo es lediglich darum geht, die eigene Frau beim Walzer so zu halten, daß sie, ihr Kleid und man selbst gut im Bild zu erkennen sind, fiel das nicht weiter ins Gewicht, bei Soloauftritten jedoch wurde das Versagen offenkundig. Oskar Lafontaine verspielte seine Kanzlerkandidatur auch auf einer Veranstaltung der Jusos, bei der er sich zu Techno tapsig verrenkte.

Dieser Unmusikalität entspricht das von den Sozialdemokraten präferierten Liedgut. "Wann wir schreiten Seit an Seit", lautet beispielsweise der traditionelle SPD-Jingle, der nicht nur kein bißchen groovt, sondern auch noch textlich extreme Mängel aufweist: "Mit uns zieht die neue Zeit", heißt es dort ein paar quälend lange Zeilen weiter, was unweigerlich Erinnerungen weckt: Die SPD und die neue Zeit sowie ein halber Liter weiches Wasser ziehen an einem Strick, während ringsherum die Steine brechen. So konnte das nicht weitergehen, zumal die Partei zwar in immerhin zwei populären Songs vor-, allerdings nicht gut wegkommt: In "Roter Wedding" heißt es: "Der herrschenden Klasse blut'ges Gesicht, der Rote Wedding vergißt es nicht und die Schande der SPD." Und in Rudi Carrells "Wann wird es wieder richtig Sommer?" wird zwar mit keinem Wort der 1. Mai 1929 erwähnt, trotzdem hat die Sozialdemokratie schuld, diesmal an Dauerregen, Getreidefäule und entgangenen Urlaubsfreuden.

Gerhard Schröder mußte handeln - und handelte. Das generelle Verbot für alle Parteigenossen und -genossinnen, öffentlich blöde rumzuhampeln, wurde sofort akzeptiert, mit der neuen Musik wurde es allerdings etwas schwierig. Irgendwie waren die Schnarchnasen nicht davon zu überzeugen, daß "Wann wir schreiten" ein Scheiß-Song ist, Michael Jackson gefiel ihnen nicht, TLC auch nicht, obwohl "Don't go chasin waterfalls, stay to the rivers and the lakes that you're used to" immerhin auch mit Gehen und sogar mit Wasser zu tun hatte und die drei Girls sich auch deswegen gut beim Parteitag gemacht hätten, weil jeder eine für den Fototermin abbekommen hätte. Eine für Schröder, eine für Lafontaine, eine für Scharping - das hätte prima ausgesehen.

Aber ein deutsches Lied sollte es sein. Blöd nur, daß es mit Steinen, Seit-an-Seit-Schreiten, Wasser und neuer Zeit einfach keins gab. Schröder war kurz davor, aufzugeben, da kam ihm der rettende Einfall: "Nothing gonna stop us" von Anne Haigis. Als er dann noch zufällig las, daß es einen Song-Texter namens Michael Stein gab, war ihm klar, daß die musikalische Zukunft der SPD gerade begonnen hatte. Natürlich nervte der Kerl zunächst rum, aber warum sollte man nicht auch einmal einen Kompromiß eingehen. Das Wasser wurde gestrichen, dafür Wind eingesetzt, war auch in Ordnung, klang nach "Wind of Change", aber in den anderen Punkten blieb der Kanzlerkandidat hart. "Es kommt ein Morgen, immer wenn die Nacht vergeht. Nichtstun war früher, wir sind jetzt dran, laß uns losgehn, Hand in Hand."

Die Zeilen waren Schröder eingefallen, er hatte sie unter der Überschrift "Für Doris" in sein Tagebuch geschrieben, als er sich gerade von Hillu getrennt hatte. Das war damals, als sie nicht einsehen wollte, daß er eine Neue brauchte. Hillu, allein schon der Name, erinnerte einen dauernd an die größte Niederlage der deutschen Motorsportgeschichte, die Schumi-Fans würden ihn allein schon deswegen nicht wählen, aber das war der Alten ja nicht klarzumachen gewesen, wollte einfach nicht Trudel genannt werden.

Egal, was zählte, war das neue Lied. "Die Besten soll'n gewinnen" hieß es jetzt und klang großartig. Und alle Genossen waren begeistert, vermißten den alten Song überhaupt nicht. Die Scheiße war nur, daß sie sich auf dem Parteitag dazu bewegt hatten. Sah saudoof aus. Als nächstes würde er sie zum Tanzkurs schicken. Alle.