Der Geschichte einen Hafen

Kiel bekommt einen Germaniahafen - in Gedenken an die 1949 gesprengte U-Boot-Fabrik

"Germaniawerft", das war vor 1945 ein klangvoller Name. Die "Waffentaten" der hier gebauten Kriegsschiffe seien "Ruhmesblätter der Geschichte der Deutschen Kriegsmarine", heißt es in einer zeitgenössischen Selbstdarstellung der Schiffsschmiede. "Ständig gehen neue Boote an die Front, wo sie im Angriff auf Geleitzüge oder in Einzelunternehmungen den Lebensnerv Englands treffen." 1949 ließ die britische Militär-Regierung die Werft sprengen, nie wieder sollten von hier deutsche Kriegsschiffe zu Waffentaten auslaufen.

Für Norbert Gansel, den Kieler SPD-Oberbürgermeister, ist Germania auch heute noch ein klangvoller Name. Und so schlug er vor, ein kleines, frisch ausgehobenes Wasserbecken an der Hörn, auf dem Gelände der ehemaligen Werft, "Germaniahafen" zu taufen. "Wir brauchen einen einprägsamen Namen, der die Geschichte des Ortes transportiert", begründete er seinen Vorstoß. Und er konnte sich der Unterstützung seiner Kieler sicher sein.

Die Kieler Nachrichten (KN) veranstalteten eine Ted-Umfrage: 897 Anrufer stimmten für Germania, ganze 160 stimmten mit Nein. Dagegen konnten auch einige nörgelnde SPD-Genossen nichts ausrichten. Der Ortsverein Gaarden, in dessen Stadtteil der geschichtsträchtige Ort liegt, hielt den Namen für zu "deutsch-national". Für die große Mehrheit des Kieler Stadtparlaments kein Argument. Lediglich gegen die Stimmen der Grünen beschloß der Rat der Stadt am vergangenen Donnerstag die Wiederauferstehung des Namens. Die Bezeichnung habe "überhaupt nichts mit Germanien zu tun, sondern nur mit der ehemaligen Germaniawerft", verteidigte Gansel den Beschluß. Zuvor hatte ein anderer Sozi seinen zaudernden Genossen entgegengehalten, die Arbeiter der Germaniawerft hätten mit einem Streik den Matrosenaufstand im November 1918 unterstützt und somit an der Spitze der Revolution gestanden. Die Werft verkörpere also auch "das demokratische Deutschland".

Die Lokalzeitung freilich enthüllt, daß es ein anderer Vertreter des demokratischen Deutschland gewesen sein könnte, der Gansel zu seinem Namensvorschlag motivierte. Es solle sich, so die Kieler Nachrichten, bei der Benennung "um eine Geste gegenüber Berthold Beitz, dem Vorsitzenden der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, handeln. Dieser äußerte vor kurzem bei seiner Eintragung ins Goldene Buch der Stadt den Wunsch, daß der Name 'Germania' in Kiel erhalten bleibe."

Beitz habe sich, so die KN weiter, "nicht nur in der Vergangenheit gegenüber der Stadt großzügig verhalten, sondern könnte es auch künftig tun, soll sich Gansel ausgerechnet haben. Die Stiftung hat 30 Millionen Mark für arbeitslose Jugendliche bereitgestellt; und dann fällt vielleicht auch etwas für Kiel ab."

Krupp, Kiel und Germania, das gehört zusammen, seit Krupp 1902 die Werft kaufte. Schon im ersten Weltkrieg war sie wichtiger Lieferant für die Kaiserliche Deutsche Marine, ab 1933 entwickelte sich der Betrieb zu einem der wichtigsten U-Boot-Produzenten des Deutschen Reichs. Kein Wunder, daß die Alliierten beschlossen, die Werft zu demontieren und zu sprengen. Was den Kielern schon damals nicht gefiel. "Auch der Protest-Schweigemarsch von Zehntausenden von Bürgern unter der Führung des legendären Nachkriegsbürgermeister Andreas Gayk (...) konnte das Ende der traditionsreichen Werft nicht mehr aufhalten", schrieben die KN 1997 bedauernd im Rückblick.

"Der gute Klang des Namens Krupp überlebte allerdings dauerhaft", wissen die KN zu berichten. "Auch im bürgerlichen Kiel waren die Krupps, ebenso wie der 1953 eingesetzte Generalbevollmächtigte und spätere Aufsichtsratsvorsitzende Berthold Beitz, schnell fest verankert. Nicht zuletzt wegen ihrer Segelleidenschaft. Eine Wertschätzung, die, wie sich herausstellen sollte, Bestand hatte. (...) Als im Sommer 1958 norwegische Kreise Alfried Krupp v. Bohlen und Halbach, der stellvertretend für seinen Vater bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war, als Eigner der 'Germania V' den Verzicht auf eine internationale Regatta ins finnische Hangö nahelegten, antworteten die deutschen Skipper mit Solidarität: Sie blieben allesamt der Veranstaltung fern."

Wenn demnächst eine Germania VI von der nächsten Regatta heimkehren sollte, kann sie im richtigen Hafen anlegen. Der neuge Germaniahafen soll Gastseglern als Marina dienen. Auf Anregung einiger SPD-Abgeordneter soll dann dort auch eine Gedenktafel aufgestellt werden, die an die "wechselhafte Geschichte des Werftstandorts erinnern" und so der "Kritik an der Namensgebung Rechnung tragen soll".