Alternative Lebensformen

Tanz am See

Besser als die blöde Love Parade sind Outdoor Raves. Das geht so: Die beiden Besitzer eines Berliner Plattenladens mieten einen See in Velten, einem Städtchen nördlich Berlins. Sie zäunen das ganze Areal ein und behängen den Wald für drei Tage mit Disco-Kugeln. Tribünen werden aufgebaut, DJs engagiert. Gäste aus Berlin und Hamburg kommen, tanzen, nehmen Drogen und mischen sich unter Skinheads und blondierte Mäuse aus den umliegenden Dörfern.

Am zweiten Tag sind die Veranstalter total fertig. Sie stehen am Eingang und können nicht mal mehr den Eintritt kassieren. Es gibt Karten und Stempel. Heike, Peter und Harald wollen auch rein. Einen Stempel hat Peter nicht, aber die Eintrittskarte von Harald, der den ersten Tag schon abgezappelt hat. Den Stempel habe er abgewaschen, sagt Peter, "heute morgen mußte ich arbeiten". - "Darf man mal fragen, was?" - "Bei McDonald's." Anstandslos werden die beiden durchgewunken.

Die gesparten 20 Mark und weitere 250 gehen in den nächsten 20 Stunden für Wasser, Bier und die Kuscheldroge Ecstasy drauf. Bei Heike wirkt es schon. "Nimm mich in den Arm", brummelt sie. "Spürst du auch schon was?" Peter haben die acht Pillen die ganze Schnauze zerschnitten. Der Mund ist innen ganz kaputt. Mit Bier läßt sich das dann aber doch aushalten, meint er. Davon trinkt er bestimmt acht Liter.

Fünf Uhr morgens. Harald hat genug. Er stellt sich an die Straße, um nach Hause zu trampen. Ein Wagen hält. "Wir möchten mitfahren", sagt er, "aber nicht reden. Wenn's geht."

Peters Rucksack ist weg. Eben hatte er ihn noch. Gut drei Stunden läuft er herum und wühlt in den Sachen anderer Leute. Fast kriegt er was aufs Maul. Er geht zwei Kilometer zur Straße, will nur noch nach Hause. Am Straßenrand angekommen, überlegt er es sich anders. Er kehrt zurück - und findet den Rucksack doch noch. Er geht wieder zur Straße. Ein Autofahrer nimmt ihn mit. Es ist furchtbar heiß, der Kopf klingelt, in den Ohren hämmert's. Der Fahrer biegt ab, Peter steigt aus und geht zu Fuß weiter. Zwei Stunden. Er zittert, denn sein Blutdruck ist hoch, der Kreislauf instabil. Drei Kilometer noch bis zum U-Bahnhof Alt-Tegel. Ein Mann nimmt ihn mit, fährt aber auf die Autobahn. Über sein Ziel macht er unkonkrete Angaben. Dann kommen sie am Eingang des See-Raves vorbei. Hier war ich heute schon, denkt Peter.

Er schlägt sich zum S-Bahnhof Birkenwerder durch. Eine Stunde, es ist Sonntag, wartet er auf einen Zug. Der Waggon ist voller gutgelaunter Ausflügler mit Fahrrädern. Ein Kontrolleur kommt. Peter hat keine Fahrkarte und muß 60 Mark bezahlen. Kein Geld mehr da, Ausweis verloren. Personalkontrolle auf dem nächsten Bahnhof. Das dauert.