Monika Haas

»Ich war weder RAF- noch Geheimdienstfrau«

Der Prozeß gegen die Frankfurterin Monika Haas (50) ging am 16. November zu Ende. Das langwierige Verfahren schien für Nichtjuristen beinahe undurchschaubar. Dabei handelte es sich um eine brisante Angelegenheit, die da hätte aufgeklärt werden können: Wer hat eigentlich von der Schleyer- und Landshut-Entführung im Jahre 1977 vorher gewußt? Gab es wirklich - wie vom Ministerium für Staatssicherheit behauptet - Geheimdienstler, die mitgemacht haben? Verschenkte Gelegenheit, sagt die Verurteilte. Da sollte dichtgehalten werden, was irgendwie dichtzuhalten war. Weder Agentin noch Waffenschmugglerin sei sie gewesen, und Kronzeugin wollte sie nicht werden. So viel Hartnäckigkeit kostet fünf Jahre Haftstrafe, wovon Monika Haas die Hälfte bereits abgesessen hat, der Rest wurde auf Bewährung ausgesetzt.

Das Gericht glaubt, daß Sie im Oktober 1977 die Waffen für die Landshut-Entführung von Algier nach Mallorca geschmuggelt haben. Wo waren Sie zu dem Zeitpunkt?

Ich habe 1977 in Aden im Jemen gewohnt. Im September und Oktober litt meine damals kaum ein Vierteljahr alte Tochter an einer schweren Durchfallerkrankung, was in diesem Alter und bei den tropischen Verhältnissen dort sehr gefährlich ist. Der behandelnde Arzt hat meine Aussage bestätigt, wurde aber nicht als Zeuge geladen.

Die Ankläger behaupten, Sie seien dennoch - und zwar mit dem Kind - gereist, um die Waffen zu überbringen.

Das ist eine völlig absurde, lebensfremde Argumentation.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum man Sie trotzdem verurteilt hat?

Die Behörden haben wohl ein recht großes Interesse daran, daß die Umstände der Schleyer- und Landshut-Entführungen nicht mehr grundlegend untersucht werden. Da wären wohl noch einige Schlampereien, die damals im Kompetenzwirrwarr passiert sind, ans Licht gekommen.

Das klingt nach Geheimdienstgarn und Verfolgungswahn.

Deshalb werden solche Zusammenhänge auch oft nicht ernst genommen. Ich gestehe allerdings zu, daß ich vor einigen Jahren auch nicht daran geglaubt hätte.

Die Geschichte begann Anfang der achtziger Jahre mit einem Gerücht aus Stasi-Kreisen. Das MfS vermutete einen westlichen Agenten in den Reihen der Palästinensischen Volksbefreiungsfront PFLP, der aktiv an Aktionen beteiligt war. Möglicherweise gab es ja eine solche Person wirklich.

Sie wurden verdächtigt, diese Agentin zu sein.

Diese Vermutung tauchte in Stasi-Papieren auf. Es begann 1976 mit dem Mossad-Vorwurf, später hieß es mal, ich arbeite für BKA und BND. Die Entstehung dieses Gerüchtes hat mit einer wahren Begebenheit zu tun: Ich war im Januar 1976 am Rande an einer palästinensischen Aktion beteiligt, indem ich einen Kurierauftrag übernommen habe. Ich sollte einen Brief nach Nairobi bringen, bin aber bereits am Flughafen festgenommen und verhört worden. Nach drei Tagen wurde ich wieder zurückgeschickt mit dem Auftrag, jemanden in eine Falle zu locken. Das habe ich selbstverständlich nicht getan, aber allein die Tatsache, daß ich nach drei Tagen wieder zurückgeschickt wurde, hat in manchen Kreisen wildeste Spekulationen ausgelöst.

Mitte der siebziger Jahre haben Sie als RAF-Sympathisantin gegolten.

Ja, ich habe in den Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen mitgearbeitet, RAF-Gefangene im Gefängnis besucht und mich gegen deren Sonderhaftbedingungen engagiert. Ich war zu dieser Zeit wirklich Sympathisantin der RAF, weil ich damals der Meinung war, daß man auf die strukturelle Gewalt, mit der wir konfrontiert waren, mit Gegengewalt antworten müsse.

Sind Sie während der Verhöre in Nairobi gefoltert worden?

"Gefoltert" finde ich als Ausdruck übertrieben, aber ich bin nicht gerade sehr nett behandelt worden. Es war für mich eine Erfahrung, bei der mir klar wurde, daß die Form des bewaffneten Kampfes etwas ist, dem ich nicht gewachsen bin.

Was haben Sie seit 1982 in Deutschland gemacht?

Ich war anfangs sozialhilfeberechtigt. Später habe ich als Taxifahrerin gejobbt - nachts, um am Tag für die Kinder sorgen zu können. Als sie etwas größer waren, habe ich wieder im Büro gearbeitet. Das war ja mein Beruf.

Wann sind Sie zum ersten Mal verhaftet worden?

Im März 1992. Da war ich als Verwaltungsangestellte im Einkauf der Frankfurter Universitätsklinik tätig.

Der Haftbefehl wurde damals sehr schnell aufgehoben.

Nach sechs Wochen. Das war eine wichtige Entscheidung, die den Anklagevertretern sehr weh getan haben muß, und zwar nicht nur in meinem Fall, sondern auch in anderen Fällen. Mit meinem Verfahren war versucht worden, Stasi-Akten als beweiskräftig zu etablieren. Und das ist mit dem damaligen Urteil des Bundesgerichtshofes zunichte gemacht worden.

Zweieinhalb Jahre später wurden Sie aber erneut verhaftet.

Ja, im November 1994. In der Zwischenzeit hatte die BAW an die hundert Zeugen vernommen und mit allen Mitteln versucht, den Beweiswert dieser Akte wieder herzustellen, und erst, als das nicht gelungen war, hat man sich Souhaila Andrawes in Oslo vorgeknöpft. Sie hat sehr widersprüchlich ausgesagt, aber das ist ignoriert worden.

Hatten Sie diese erneute Verhaftung erwartet?

Ich war nicht überrascht. Ich habe ja Zeitung gelesen und wußte, daß gegen mich ermittelt wird, und auch, daß Andrawes befragt werden sollte, ob Deutsche an der Entführung der "Landshut" beteiligt waren. Ich hatte auch gelesen, daß ihr die Kronzeugenregelung angeboten worden war. Es war ein bißchen naiv von mir zu glauben, es sei kein Problem zu beweisen, daß ich das nicht war. Außerdem hatte ich ein Interesse daran, daß sämtliche Gerüchte endlich geklärt werden. Leider ist eine Aufklärung über die Hintergründe aber eher verhindert worden.

Hat man versucht, Sie als Kronzeugin zu gewinnen?

Ja. Mit der Anklageerhebung hat man mir die Kronzeugenregelung erläutern wollen. Ich habe nachgefragt bei der BAW, wie sie sich das denn vorstellt, weil ich über die Dinge, die sie interessieren könnte, keine Kenntnis habe. Diese Frage wurde mir leider nicht beantwortet.

Haben Sie 1994 erwartet, zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft verbringen zu müssen?

Nein. Die Dimension war mir damals nicht klar.

Während des Verfahrens war zu befürchten, daß gegen Sie sogar noch mehr als fünf Jahre Haft verhängt werden. Die Ankläger hatten zehn Jahre gefordert.

Das war zuerst sehr zu befürchten. Ursprünglich zielte die Anklage auf lebenslänglich.

Haben Sie während dieser Zeit manchmal daran gedacht abzutauchen?

Nein, ich kann mir wirklich nicht vorstellen, irgendwo versteckt im Exil zu leben und von meiner Familie getrennt zu sein. Und außerdem: Den Gefallen hätte ich der Bundesanwaltschaft nicht getan.

Haben Sie während des Verfahrens Unterstützung in Frankfurt bekommen?

Ja, ich habe einen großen Freundeskreis. Meine Kinder wurden unterstützt, als ich in U-Haft war, und es gibt sehr viele Leute, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit gekümmert haben. Ohne diese Solidarität wäre vieles sehr viel schwerer gewesen.

Die RAF-Gefangenen haben, während Sie in Untersuchungshaft waren, eine öffentliche Erklärung verfaßt, in der sie bezeugten, daß Sie mit dieser Sache nichts zu tun haben.

Sie wußten, daß ich mit bewaffneter Politik der RAF und PFLP nichts konkret zu tun hatte. Ich habe mich darüber auch gefreut, weil damit klargestellt wurde, daß an den Verratsgeschichten nichts dran war. Daß ich zwar keine RAF-Frau war, aber eben auch keine Geheimdienstfrau.

Wie geht es jetzt weiter?

Ich habe Revision eingelegt. Ich bin der Meinung, daß das Urteil nicht haltbar ist. Jetzt müssen wir auf die schriftliche Urteilsbegründung warten - das wird etwa ein halbes Jahr dauern.

Und privat?

Ich brauche dringend Arbeit und Geld. Ich bin inzwischen hoch verschuldet und benötige zumindest übergangsweise Jobs und Aushilfstätigkeiten. Ich halte ja meinen Anspruch auf meine Arbeitsstelle bei der Universitätsklinik aufrecht, aber ob dem stattgegeben wird, wird sich auch erst nach der Revision entscheiden. Man hat mir gekündigt, weil ich angeblich dem Ruf der Uniklinik schade ...