Alternative Lebensformen

Spots bei Hotte

"Wir sind drei kleine Männchen, tragen Sonnenbrillen und hängen hier rum, das könnte Ihre Reklame auch" steht auf einem eingerahmten kleinen Plakat, das zunehmend häufig auf Berliner Kneipentoiletten zu finden ist. Es wirbt für Werbung auf dem Klo, die sich in Augenhöhe eines potentiell dort Sitzenden befindet und aus unerfindlichen Gründen derzeit sehr beliebt ist.

Dabei muß die Effektivität der Klowerbung bezweifelt werden - ein normaler Toilettenbesuch in einer durchschnittlichen Kneipe fällt meist so kurz wie irgend möglich aus, Zeit zum Lesen bleibt da kaum. Und all die anderen Sachen, die man in einer abschließbaren Klozelle sonst noch so tun kann, erfordern in der Regel viel zuviel Konzentration, als daß man noch auf die Umgebung achten könnte.

Toiletten sind aber auch noch aus einem anderen Grund für Werbemaßnahmen völlig ungeeignet, denn die wahre aufmerksamkeitsfördernde Langeweile hat dort nicht ihren Ort. Die ist eher in der Schankstube verbreitet, dort, wo Menschen zusammensitzen und trinken. Das ist kein abendfüllendes Programm, vor allem, wenn man schon viele solcher Abende hinter sich gebracht hat und genau vorhersagen kann, welche Witze Hotte ab dem wievielten Bier macht und wann Kalle seinen Schwanz auspacken wird.

Deswegen sind ganze Kneipenbesatzungen oft froh über Abwechslung: Selbst noch die Ankunft der ambulanten Brötchenverkäufer oder des die Trinkroutine unterbrechenden fröhlichen Zigaretten-Promoter-Teams sorgt für neuen Gesprächsstoff. Hier, und nicht auf dem Klo, sollte Werbung in Gaststätten ansetzen. Denkbar wären etwa kurze Reklameeinblendungen: "Wir unterbrechen jetzt für eine Werbepause" könnte der Wirt die erlahmende Konversation alle halbe Stunde über ein Saalmikrophon zum Stillstand bringen, ein Band mit zehn Spots einlegen und damit vielleicht sogar für richtige Unterhaltung sorgen. Jingles-Singen oder Reklame-Raten kann Schwung in alte, eingefahrene Kneipenbeziehungen bringen und neue Freundschaften entstehen lassen. Selbst diejenigen, die Wirtschaftswerbung hassen, werden bald zueinander finden und lockere Diskussionsgrüppchen gründen, die auch, nachdem die Einblendungen vorbei sind, durchaus Bestand haben können.

Der gezielte Einsatz solcher Advertisement-Kampagnen, speziell auf die jeweilige Kneipenart zugeschnitten, könnte langfristig für niedrigere Getränkepreise und steigenden Umsatz sorgen. Direkte Werbung muß dabei nicht unterbleiben: "Diese Runde wurde ihnen gesponsert von ..."