Gedenken überflüssig

Im oberpfälzischen Schwandorf will der Bürgermeister nicht unnötig durch ein Mahnmal an einen rassistischen Anschlag erinnert werden

"Den rassistischen Brandanschlag nicht vergessen" - ein Satz, der Assoziationen zu den zahlreichen rechtsradikalen Angriffen weckt, mit denen Flüchtlinge und Migranten seit der Wiedervereinigung in Deutschland konfrontiert sind. Im oberpfälzischen Schwandorf verweisen diese Worte jedoch auf einen Angriff, der noch vor der Wende stattfand - und von dem kaum jemand große Notiz genommen hatte: Zehn Monate vor dem Sturm auf die Mauer, vier Jahre vor den tödlichen Angriffen in Mölln und Solingen, kam es in der bayrischen Provinz zu einem rassistisch motivierten Brandanschlag, bei dem mehrere Menschen starben.

Am 17. Dezember 1988 legte der stadtbekannte, damals 19jährige Rechtsextremist Josef Saller in einem hauptsächlich von Ausländern und Ausländerinnen bewohnten Haus in der Schwandorfer Innenstadt Feuer. Vier Menschen, darunter eine dreiköpfige türkische Familie, verbrannten; zwölf Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Zum Gedenken an diesen Tag mobilisiert das Bündnis gegen Rechts zu einer Demonstration am kommenden Samstag: "Den rassistischen Anschlag nicht vergessen." Das Bündnis will damit auch seiner Forderung Nachdruck verleihen, ein Mahnmal aufzustellen, das an das fremdenfeindliche Verbrechen erinnert.

Kurz nach der Tat war von Rassismus nicht die Rede. Damals sprach der Schwandorfer Oberbürgermeister Hans Kraus (CSU) von einem "irregeleiteten Straftäter". Das Amberger Landgericht wollte von Morden nichts wissen und verurteilte den Neonazi Saller folgerichtig wegen besonders schwerer Brandstiftung zu zwölf Jahren Haft.

Dabei war Saller kein Unbekannter. Er plante, fremdenfeindliche Skinheads in der Oberpfalz zu einer Wehrsportgruppe auszubilden - im Sinne der heute verbotenen Nationalistischen Front (NF), zu deren Führungsebene er zählte. Der Neonazi pflegte Kontakte zur militant rechtsradikalen und mittlerweile verbotenenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) sowie zur neonazistischen NPD. Das NF-Magazin Frontal zitierte ihn mit den Worten, sein "größter persönlicher Wunsch" sei ein "besatzer- und ausländerfreies Deutschland in germanisch-preußischer Tradition in den Grenzen von 1938, ein Europa ohne Neger, Rote und Hakennasen."

Bis heute hat sich die Schwandorfer Stadtverwaltung geweigert, einen Gedenkstein als Mahnmal auf dem einstigen Brandort aufzustellen. Nachdem im Oktober zum wiederholten Mal ein Dringlichkeitsantrag vom Stadtrat abgelehnt wurde, will das Bündnis gegen Rechts, bestehend aus antifaschistischen und internationalistischen Gruppen, Parteien und Gewerkschaften, jetzt im Rahmen der Demonstration selbst das Mahnmal anbringen.

Das scheint nötig zu sein, denn auch Oberbürgermeister Kraus bleibt bei seiner Meinung, daß es sich bei dem Anschlag um die Tat eines einzelnen handle. Eine rechtsextremistische Szene gebe es in Schwandorf nicht. Folgerichtig hält Kraus den Gedenkstein für überflüssig. Zugespitzter argumentiert sein Kollege, der stellvertretender Stadtvorsteher Michael Kaplitz. In einem Interview mit einem Oberpfälzer Regionalfernsehen ließ er wissen: "Wer ständig herausstreicht, daß solche ordinären Verbrecher (...) politische Verbrecher sind, der läuft Gefahr, diesen Tätern eine politische Gloriole umzuhängen, was also ganz gefährlich ist, weil man damit im Endeffekt deren Geschäft betreibt, sie nämlich als Helden darzustellen, und nicht als das, was sie sind, nämlich Verbrecher."

Eine "abenteuerliche" Aussage, reagierte das Bündnis gegen Rechts. Nach Kaplitz' Logik hätten auch bestehende Gedenkstätten keine Berechtigung, da man damit Gefahr laufe, das Geschäft der Täter zu betreiben und sie als Helden darstelle. Aus seiner Aussage ließe sich schließen, daß an politische Gewalttaten und deren Opfer grundsätzlich nicht erinnert werden dürfte. "Ins Bild paßt daher auch", so eine Bündnissprecherin, "daß vor Jahren am Ortsausgang von Schwandorf ein Gedenkstein für erschossene KZ-Häftlinge beseitigt wurde."

Die Demonstration "Den rassistischen Brandanschlag von 1988 niemals vergessen" findet am 19. Dezember um 15 Uhr statt, Treffpunkt: Marktplatz Schwandorf.