Grill auf Sparflamme

Indonesiens Ex-Diktator Suharto wurde von der Staatsanwaltschaft befragt

Mitte vergangener Woche war es soweit: Indonesiens Ex-Diktator Suharto hatte seine erste Vernehmung vor der Generalstaatsanwaltschaft in Jakarta. Vier Stunden lang wurde er "gegrillt" (Washington Post). Im Zentrum der Fragen stand, wie das milliardenschwere Vermögen seines Clans - nach neueren Schätzungen ist es seit Beginn der Asienkrise auf zehn bis 20 Milliarden Dollar zusammengeschmolzen - angehäuft wurde.

Aber allzu tiefschürfend wird die Befragung des Generalstaatsanwalts Andi Muhammad Ghalib wohl nicht gewesen sein. Eine frühere Untersuchung Ghalibs vor rund drei Monaten hatte zu keinen Ergebnissen hinsichtlich eines Fehlverhaltens von Suharto geführt. Und Suhartos Anwälte können einfach auf einen großen Teil des indonesischen Establishments vertrauen, das - nun unter Präsidentschaft von Suharto-Zögling Bacharuddin Jussuf Habibie - immer noch in Amt und Würden ist, von Suhartos "Vettern-Kapitalismus" profitierte und wenig Interesse daran hat, in allzu genauen Recherchen die eigenen Namen wiederzufinden.

Es war noch nicht einmal klar, ob Suharto in der vergangenen Woche als Beschuldigter vernommen wurde. Und eine Untersuchung von Suhartos Rolle in den verschiedensten Massakern während seiner 32jährigen Herrschaftszeit - sie wurde 1965/66 mit dem Niedermetzeln von wenigstens 500 000 angeblichen Kommunisten eingeleitet - gibt es nicht.

Der Gedanke liegt nahe, daß mit der Befragung der Forderung der oppositionellen studentischen Bewegung, die fast täglich Demonstrationen durchführt, nach einer Untersuchung von Suhartos Vermögensverhältnissen zum Schein nachgekommen werden soll, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn bei der zweiten zentralen Forderung der studentischen Opposition nach Beendigung der Rolle des Militärs (Abri) in der Politik sieht es noch düsterer aus. Sie trifft auf entschlossenen Widerstand.

In Übereinstimmung mit einem Vorschlag der Regierung sollen 55 der 500 Sitze in der Legislative nichtgewählten Armee-Abgeordneten offenstehen, forderte Budi Harsono, Abri-Sprecher in dem Spezialkomitee des Hauses, das politische Gesetzentwürfe berät, am 4. Dezember. Das sind nur 20 weniger als momentan, aber die weiterhin starke politische Einflußnahme des Militärs soll ja auch einem guten Zweck dienen. Denn, so Harsono, die Streitkräfte wollten weiterhin einen positiven Beitrag für die Nation leisten.

Aber die Rolle der Streitkräfte ist wenig idyllisch. Hinter sämtlichen blutigen Zusammenstößen und Mordserien der vergangenen Monaten wird von Oppositionellen die "unsichtbare Hand" militärischer Kreise vermutet. Bei der Mordserie an mindestens 180 islamischen Lehrern und Wahrsagern in Zentral- und Ostjava seit Anfang des Jahres, die seit Suhartos Abgang im Mai vor allem Opfer aus der 30 Millionen Mitglieder starken, konservativ-islamischen Organisation Nahdlatul Ulama (NU) forderte, deutet die organisierte und professionelle Vorgehensweise der Killer auf die Verwicklung des Militärs.

Bei den tödlichen Schüssen auf studentische Demonstranten am 13. November anläßlich der Sondersitzung der Beratenden Volksversammlung (MPR) existiert ein ähnlicher Verdacht. Nach Angaben der alternativen Nachrichtenagentur SiaR gibt es Anzeichen, daß vor den Schüssen alle Spitzel aufgefordert wurden, den Campus der katholischen Atmajaya-Universität zu verlassen, weil "Feuer frei" gegeben würde. Dies würde bedeuten, daß die Schüsse von langer Hand geplant worden waren.

Zudem erhebt SiaR Anschuldigungen gegen Suhartos älteste Tochter Siti Hardiyanti Rukmana ("Tutut"): Seit Ende Mai 1998 habe sie zusammen mit Suharto-Sohn Bambang Trihatmodjo Sicherheitsoperationen in Jakarta bezahlt und eine Art privater Miliz geschaffen. Anläßlich der MPR-Sondersitzung im November hätten sie Leute von außerhalb Jakartas in die Hauptstadt gebracht und sogenannte Pam Swakarsa ("selbstinitiierte Selbstverteidigungseinheiten") gebildet. Diese stellten einen Teil der zum Schutz der MPR gegen die Proteste eingesetzten Bürgerwehren, die mit angespitzten Bambusstöcken durch die Straßen Jakartas patrouillierten.

Drei Mitarbeiter von Tutut stehen im Verdacht, über eine Tarnorganisation, die Stiftung für die Wohlfahrt der indonesischen Gesellschaft (YAKMI), im Vorfeld der MPR-Sondersitzung eine Eliteeinheit gebildet zu haben, die im September die ersten 150 freiwilligen Vigilanten in Rindam Jaya eine Woche lang paramilitärisch trainierten. Weitere Gruppen wurden mittlerweile ausgebildet. Sie sollen in alle Regionen Indonesiens, vor allem in die unruhigsten, ausgesandt werden.

Hintergrund dieser Entwicklung, so vermutet SiaR, ist eine Interessensallianz von Abri und Suharto-Clan gegenüber den studentischen Forderungen nach einerseits Offenlegung der Vermögensverhältnisse des Ex-Diktators und andererseits politischer Entmachtung des Militärs.

Zur Verworrenheit der Verhältnisse trägt zudem ein Machtkampf um die Pfründe bei, in dessen Zentrum Adi Sasono, Minister für Kooperativbetriebe und das Kleingewerbe, steht. Sasono galt in den siebziger und achtziger Jahren als Godfather der indonesischen Nichtregierungsorganisationen (NGO) mit guten internationalen Kontakten. Anfang der neunziger Jahre erfolgt trat er in die islamische Intellektuellenvereinigung ICMI Habibies ein.

Sasono mischt auf pikante Weise seine früheren NGO-Erfahrungen mit dem Ziel, die chinesische Minderheit ökonomisch zu entmachten, die die meisten großen Wirtschaftskonglomerate dominiert. Nach Angaben der NZZ kann er als "Befürworter einer islamischen Linie mit der Unterstützung eines Teils der Generäle" rechnen.

Die Habibie-Regierung hat mittlerweile u.a. veranlaßt, von den Holz- und Plantagen-Konglomeraten zu verlangen, daß sie 20 Prozent ihres Aktivvermögens an "Kooperativen" übertragen - eine Umverteilung zugunsten der islamischen Mittelschicht, der neuen Stütze des Regimes. Die Kooperativen allerdings sind nicht das, was man sich hier gemeinhin darunter vorstellt. Es sind staatliche, meist in den fünfziger Jahren gegründete Organisationen, die als korrupt verschrien sind. Sie werden Kooperativen genannt, weil den Mitgliedern befohlen wird zu kooperieren, zitierte die Washington Post einen bei einer Hong Konger Brokerfirma Beschäftigten, der acht Jahre in Indonesien gearbeitet hatte.

Die bürgerlichen Oppositionellen stehen der gesamten Entwicklung weiterhin konzeptlos gegenüber. Megawati Sukarnoputri, die Chefin der PDI, ist zweifellos am populärsten, hat aber kein Programm. Jedenfalls mißt sie der Einheit und Integrität des indonesischen Staates hohen Wert bei, was wenig Spielraum für eine Konfliktlösung in dem annektierten Ost-Timor oder West-Papua läßt. Abdurrahman Wahids neugegründete Partei PKB hat kein profiliertes eigenes Programm und soll bei den für Juni 1999 vorgesehenen Wahlen für Megawati Stimmen sammeln. Wahid ist ein Taktierer, kein Draufgänger, was ihm bei jüngeren Oppositionellen Sympathien kostet.

Amin Rais spielte noch bei den Unruhen im Mai eine Rolle als oppositioneller "Führer"; allein, ihm fehlt eine klare politische Linie. Er spricht sich am klarsten gegen das Militär aus, hat aber auch Angst vor ihm. Das weiß das Militär und kann damit spielen. Vor den Mai-Unruhen, die zu Suhartos Rücktritt als Präsident führten, hatte Rais zu einer Massendemonstration in Jakarta aufgerufen, sie aber wieder abgesagt, als ihm aus Kreisen des Militärs ein Massaker nach Art des Tiananmen angedroht wurde.

Eine studentische Gruppe, die FKGMJ, hatte Megawati, Amin Rais und Sultan Hamenkubuwono X. kurz vor der MPR-Sondersitzung im November mit sanftem Druck ins Haus von Abdurrahman Wahid gebracht. Die Gruppe wollte Unterstützung für die studentische Forderung nach einer Interimsregierung, die das Habibie-Regime ersetzen soll. Die Studenten bedeuteten den Politikern, ohne gemeinsame Erklärung sollten sie nicht versuchen, das Haus zu verlassen. Eine solche kam auch zustande, war aber sehr halbherzig - ohne Forderung nach einer Interimsregierung.