Walser-TV

Nach dem von FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher moderierten Meinungsaustausch zwischen Ignatz Bubis und Martin Walser, das am vergangenen Wochenende in den Räumen der FAZ stattgefunden hatte, war plötzlich alles ganz anders: Bubis sagte, nach "einem ausführlichen Gespräch" - das zuvor zwei Stunden unter Ausschluß der Öffentlichkeit geführt worden war - nehme er den an Walser adressierten Vorwurf der "geistigen Brandstiftung" zurück. Was Walser gemeint habe, sei akzeptabel, was der "Durchschnittsbürger" verstanden habe, hingegen nicht.

Damit war der zweifellos berechtigte Vorwurf gegen Walser, er habe antisemitische Ressentiments benutzt und befördert, mit einem Mal gegenstandslos. Während Schirrmacher erklärte, das Ganze sei wohl auch eine Art Kommunikationsproblem gewesen, heute spreche man anders als zu Weizsäckers Zeiten miteinander, auch habe Bubis eine literarische Rede nicht als literarische, sondern als politische verstanden, hatte Walser Gelegenheit, zur besten Sendezeit am Sonntag abend in aller Ruhe den Dreck der letzten Wochen zu wiederholen: Die Deutschen seien es einfach leid, bei jeder politischen Angelegenheit sich fragen zu lassen, ob sie resozialisiert sind. Sein Beharren auf Gewissensfreiheit bedeute einfach, daß die Leute so denken dürfen, wie sie denken wollen.

Selbstverständlich habe seine Frankfurter Rede eine befreiende Wirkung gehabt. Schließlich noch eine Ohrfeige für Bubis: "Ich lasse mich nicht darauf einschränken, daß man mich mißverstanden hat."

Ein gewagtes und recht hoffnungsfrohes Fazit der Aussprache zog FAZ-Mann Schirrmacher, der vor einigen Wochen in Frankfurt auch die Laudatio auf Walser gehalten hat: Sei schon Walsers Rede eine Befreiung gewesen, so sei auch diese Aussprache eine. "Wir dürfen von einer zweifachen Befreiung sprechen."

Wohl eher von einer doppelten Freisprechung.