»Antifa gut, CDU kaputt«

In Berlin stieß die Kampagne der Christdemokraten für mehr Integration auf wenig Gegenliebe

Klaus Landowsky ist sauer. Richtig sauer. Denn "Pöbel" und "Hausbesetzer, gepaart mit Grünen und PDS" haben dem CDU-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus den Spaß am Autogrammjagen gründlich verdorben. Und da kommt der CDU-Mann, dem intellektuelle Qualitäten nachgesagt werden, dann doch ins Schlingern. Eigentlich wollte er ja auch in Berlin den Volkswillen mobilisieren, um in der ehemaligen Frontstadt gegen die doppelte Staatsbürgerschaft Front zu machen.

Doch nachdem politisch interessierte Bürger in den Bezirken Reinickendorf, Tiergarten, Steglitz, Schöneberg und Neukölln in Bruce-Lee-Manier den einen oder anderen Einwand gegen die Kampagne der CDU vorbrachten, war die Freude der Christdemokraten vom Tisch. Kein Wunder, daß Landowsky da eine Kehrtwende macht und plötzlich versichert, die CDU werde "es nicht zulassen, daß politische Entscheidungen von der Straße getroffen werden". Jetzt will er mit mehr Polizei die Meinung des kleinen Mannes von der Straße gegen Kreuzberger Straßenkämpfer verteidigen.

"Die Gegenaktionen haben abgeschreckt", gesteht auch Scott Körber, Kreisvorsitzender der Jungen Union Kreuzberg, enttäuscht ein. Da sorgen selbst die 15 000 Unterschriften, die man in der 3,5-Millionen-Stadt in den letzten beiden Wochen gesammelt hat, nicht mehr für bessere Laune.

In der Tat haben sich die Gegner der CDU-Kampagne alle Mühe gegeben. Schon Anfang vergangener Woche hatten Militante in der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain dem Hausglaser der CDU einen kleinen Gefallen getan - mehrere Scheiben gingen dort zu Bruch. In einem Bekennerschreiben forderten die Gewalttäter, "die Stände der CDU als auch die Unterschreibenden anzugreifen, zu stören und zu behindern".

Am Samstag dann die "skandalöse gewalttätige Entwicklung in der Hauptstadt" (Landowsky): "Am Platz der Stadt Hof in Neukölln spuckte ein Anarchist ein CDU-Mitglied an", vermeldet die Berliner Morgenpost.

Woher wissen die denn, daß der gute Mann ein Anarchist ist? Und aus welchem Spektrum stammen dann die CS-Gas-Sprüher am Kurt-Schumacher-Platz in Reinickendorf? Oder die Eierwerfer in Steglitz? Wer hat dem CDU-Mann

in Neukölln das Brillenglas kaputtgemacht? Libertäre FeministInnen? Kommunistische Autonome? Undogmatische StalinistInnen? Und erst die Farbe über dem Jackett der christdemokratischen Agitatoren? Sichert das antifaschistische Engagement nicht irgendwie auch Arbeitsplätze bei der Polizei - 21 Straftäter wurden, wie man in gewöhnlich gut gepanzerten Kreisen sagt, "zugeführt", wegen Beleidigung und Landfriedensbruchs.

Alles Fragen, die die Bewegung erst einmal politisch diskutieren muß. Die CDU hingegen ist wieder einmal einen Schritt weiter: "Es war der Pöbel, der unsere Stände angegriffen hat, und nicht die Ausländer."

Diesen Vorwurf wollen die Linken dann doch nicht auf sich sitzen lassen: "Ich bin die intellektuelle Elite Kreuzbergs", sagt ein Jugendlicher auf der Demo tags darauf. So ist die Kreuzberger Jugend eben: Immer einen kessen Spruch auf den Lippen. "Antifa gut, CDU kaputt", reimt er etwas verschämt. Aber der Duktus stimmt, und das ist schließlich das Wichtigste. Die anderen wissen indes, was sie von der neuen Regierung erwarten können: "Was will ich, was willst du, das Verbot der CDU!" skandieren die rund 600 linken Demonstranten, die am Sonntagnachmittag die Straßen für sich reklamieren, um Kreuzberg zu halten und Berlin zu stürmen. Ein türkisches Kind hält ein Schild mit der Aufschrift "Bin ich eine Gefahr für Deutschland?" Die kühne Selbsteinschätzung der Kollegen von den Autonomen: "Ich schon!" Über die Teilnehmerzahl ist man indes nur begrenzt zufrieden: "Schreib, es ist eine schnuckelige Wohnzimmerdemo", rät einer bereits zum Auftakt.

Obwohl es die erste Aktion gegen die Unterschriftenkampagne in Berlin ist, deren Organisatoren links von den Grünen stehen, sind trotzdem nur ein paar Hundert gekommen. Später werden es dann mehr - es gilt offenbar die Kreuzberger Dreiviertelstunde. Darunter auch viele türkische und kurdische Mitbürger. Ob die gekommen sind, weil aus dem stark übersteuerten Lautsprecherwagen auch so etwas kommt, was sich wie kurdische Folklore anhört, können die Veranstalter weder bestätigen noch dementieren. Die Polizei setzt schnell die Helme auf, als es losgeht, hält sich aber dann doch zurück, vielleicht, weil Sonntag ist.

Der Rest der Demonstranten schlendert durch abgelegenes Wohngebiet und unterhält sich beispielsweise darüber, wer am Vorabend auf dem U-Bahnhof übernachtet hat und wo man später noch "Risiko" spielen will. Eine kurze Umfrage vermittelt tiefen Einblick in die politische Kultur der neuen Hauptstadt: "Ich hab mich verlaufen", erläutert ein junges Mädchen mit Rasta-Locken den Grund für ihre Teilnahme, "ich wollte eigentlich zu meiner Freundin."

"Die CDU ist tief im Kapitalismus verwurzelt", klärt der junge Genosse von der "Roten Jugend" auf. Die MLPD protestiert dagegen, daß mit einem "Sondergesetz" das 9. Internationale Pfingstjugendtreffen in Gelsenkirchen verhindert werden soll. Und eine prominente Antifa-Aktivistin, die den Regierungsumzug bereits vorgelebt hat, protestiert gegen die "voll rassistische Kampagne, ey". Auch andere Probleme werden vorgetragen: Beim Wegrennen hat sich einer am Vortag den Sprinter-Muskel gezerrt, noch dazu völlig umsonst: Der Opel Vectra der Zivilpolizei war trotzdem schneller. Christian Specht will einen noch lauteren Lautsprecherwagen, am besten von der Antifa, "wie am 1. Mai".

Das Volk ist indes nicht immer mit der Demonstration einer Meinung: Vom Balkon bedenkt ein Kreuzberger die Manifestation mit einem Schwall äußerst unanständiger Wörter, mit denen er seine Besorgnis über die Eliminierung jeglicher deutscher Kultur durch die Regierungsparteien zum Ausdruck bringen will. Die Strafe soll auf dem Fuße folgen, doch die abgeschossene Leuchtspurmunition trifft nur einen Baum, der den Weg ins Wohnzimmer versperrt - obwohl es in Kreuzberg 36, verglichen mit Norwegen beispielsweise, nicht besonders viele Bäume gibt. Aber auch hier gilt: Übung macht den Meister.

Kurz: Das andere, das bessere Berlin lehnt die Kampagne der CDU für mehr Integration ab. Die christdemokratische Partei ist eben doch tiefer im Kapitalismus verwurzelt, als man denkt.