Der Stürmer

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber will auf dem Weg nach Berlin unbedingt rechts abbiegen. Ob er dabei noch die Kurve kriegt?

"Von Bayern gehen die meisten politischen Dummheiten aus", wußte Franz Josef Strauß schon 1955. Am 7. Februar wird sich in Hessen zeigen, ob der Übervater des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber in der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft recht behält. Spätestens der Erfolg oder Mißerfolg des christdemokratischen No-name-Rechtsauslegers Roland Koch bei der Hessen-Wahl könnte darüber entscheiden, ob die CDU/CSU mit den aus Bayern vorgegebenen rechtspopulistischen Tönen den Geschmack der Mehrheit trifft - und damit auch weiter nach Stoibers Pfeife tanzen wird. Oder ob man dem kühlen Blonden aus dem Süden eigentlich dankbar sein müßte, weil er mit dem von ihm inszenierten Bierzelt-Krawall die Union bundespolitisch zielsicher in die Marginalität führt.

Wie Strauß will auch Stoiber dafür sorgen, daß angesichts der Verflachung der Politik aus den bayerischen Bergen die Rettung kommt. "Bayern zu halten und Berlin zu stürmen", gab der frischgebackene Vorsitzende auf dem Parteitag der CSU als Direktive an die Parteigenossen aus. Daß Stoiber, mit 55 Jahren noch nicht der Älteste, "in diesem Jahrhundert" keine Ambitionen auf das Kanzleramt mehr hat, im kommenden Jahrtausend aber sehr wohl das Kanzleramt bajuwarisieren möchte, hat er bereits durchblicken lassen. Oder, wie ein Besucher des politischen Aschermittwochs 1998 in Passau sprachtestverdächtig auf seinen Pappkarton gepinselt hatte: "Nächster Kanzler muß CSU sein!"

Ob Stoiber mit dem Münchner Modell bundespolitisch auf Erfolgskurs gehen kann, scheint indes fraglich. Bisher hat der Vorkämpfer gegen die "Durchrassung" keine Gelegenheit ausgelassen, sich als Hardliner zu profilieren. Ob es um den EU-Beitritt der Tschechischen Republik, eine modernisierte Version der Nationalhymne, die Kommunistenfresserei seines Adlatus Erwin Huber oder die Gleichsetzung von Nicht-Deutschen mit den "Terroristen von der RAF" geht: Stoiber ist für jeden rechten Spaß zu haben. Jetzt soll das Modell "Laptop und Lederhose", dem die CDU ihre "starke Schwesterpartei" (Stoiber) zu verdanken hat, die Union auch bundespolitisch aus der Versenkung holen.

Intern zerrissen, spielt die CDU dabei nur halbherzig mit. Das zeigt der zeitlich versetzte und zudem unentschlossene Start der Unterschriftenkampagne, die zudem immer stärker der Kritik der moderaten Modernisierer ausgesetzt ist. Diese drängen auf einen parlamentarischen Kompromiß mit der Regierung. Mehr als 50 Abgeordnete, darunter Generalsekretärin Angela Merkel und Volker Rühe, dritter Kandidat im Gerangel um den Führungsanspruch innerhalb der geschaßten Ex-Regierungspartei, haben sich innerhalb der Unionsfraktion für eine begrenzte Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft ausgesprochen.

Die Mäßigung dürfte dem Wissen geschuldet sein, daß die Attacke von rechtsaußen schon einmal gescheitert ist. Auch der Stoiber-Mentor Strauß gewann bei seiner Kanzlerkandidatur 1980 bundespolitisch keinen Blumentopf. "Franz Josef Strauß ist mein Programm", hatte Stoiber damals als CSU-Generalsekretär bekannt. Das fürchten jetzt offenbar auch andere in der Union.

Bleibt abzuwarten, ob sich Stoiber künftig auch bundespolitisch als Nummer eins behaupten kann. Der innerparteiliche Verlierer der Debatte steht indes schon fest. Schäubles Führungsstärke in der Union bewegt sich gegen Null. Inhaltlich dürfte ihm, der seine "Identität nicht aus dem Bekenntnis zu einer bestimmten Idee, sondern aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk" schöpft, sein süddeutscher Rivale nicht weit entfernt sein. Daß Schäuble jedoch nicht weiß, ob er lieber mit Merkel die "neue Mitte" wieder nach Hause holen soll oder dann doch mit CSU-Landesgruppenführer Glos die "alte Klientel" am rechten Rand nicht vernachlässigen will - das könnte ihn in diesem Konflikt politisch Kopf und Kragen kosten.

Wer Wolfgang Schäubles Gesicht als Gast auf dem CSU-Parteitag gesehen hat, wie er zähneknirschend die Einheit mit dem strahlenden Sieger zelebrierte, der ist über die derzeitige Machtlosigkeit des CDU-Vorsitzenden bestens im Bilde. Helmut Kohl, dessen Erbe die jetzt aufbrechenden Richtungskämpfe darstellen, dürfte sich der Saumagen umdrehen. Der "Anschlag auf das deutsche Staatsvolk" (CSU-Chef-Theo Waigel) hat vor allem die CDU getroffen.