Neues vom Stammtisch

Sag nochmal einer, am Stammtisch werde viel gestritten: Denn - glaubt man der jungen Welt - dort wird gefragt, gesagt, gesprochen und versichert. Daß gestritten wurde, wird erst dann verlautbart, wenn wieder alles geklärt ist.

Sie erinnern sich noch? Mitte Dezember erschien in der Treptower Tageszeitung eine antisemitische Satire von Mathias Wedel; Ignatz Bubis wurde darin als unterwürfiger Gesprächspartner von Martin Walser präsentiert, der für ein paar Gratis-Gläschen seinem Gesprächspartner alles zu verzeihen bereit war (Jungle World, Nr. 52-1/98).

Eine öffentliche Diskussion, ein Streit gar, über den Text von Wedel blieb aus. Lediglich eine kurze Stellungnahme des Altkommunisten Fritz Teppich wurde Ende Dezember im Kulturteil publiziert: "Von Freunden befragt", was er von Wedels Satire halte, konnte der Autor Teppich "nichts Antisemitisches finden". Darin sei "vielmehr Anprangerung des unausgerotteten Nachnazismus" enthalten. Und doch wollten sich nicht alle an die verordnete Kritiklosigkeit halten: Für den Jüdischen Kulturverein e.V. protestierte Irene Runge, frühere Kolumnistin der jungen Welt, gegen Wedels Text, der "antisemitische Klischees bediene". Und ließ sich nach Drängen von Funktionären der Kommunistischen Plattform (KPF) auf ein Gespräch mit der Schriftleitung ein, die zuvor noch die "wuchtigen Vorwürfe" Runges weit von sich gewiesen und auf eine Entschuldigung verzichtet hatte.

Dies ist einem Brief von Irene Runge zu entnehmen, der vor zwei Wochen in der jungen Welt abgedruckt wurde. Allerdings nicht ohne ein Nachwort, in dem von oben herab noch einmal bestimmt wird, wer wann wo was zu sagen und zu lassen hat: "Zu Irene Runges Brief gäbe es seitens der Redaktion einiges zu sagen. Doch sind wir dafür, einen Streit zu beenden, der zwischen Leuten geführt wurde, die sich im entscheidenden Punkte einig sind: Antisemitismus in jeder Form entgegenzutreten."

So umarmt man seine Kritiker - bis ihnen die Luft wegbleibt. Und wenn nicht, gibt es halt zum Jüdischen Kulturverein oder zu Irene Runge oder zu deren Vorwürfen "noch einiges zu sagen".