Leichte Worte

Sprechen lernen mit OZSWMK

Der Bandname, mit Verlaub, klingt ja etwas albern und anachronistisch: OSTZONENSUPPENWÜRFELMACHENKREBS, kurz OZSWMK. Wer weiß heute noch, wozu Suppenwürfel gut sind, geschweige denn, was die Ostzone war, und ganz abgesehen von der reichlich dubiosen Behauptung.

Eine Altlast aus den Achtzigern, als Bandnamen noch witzig sein durften, würde man vermuten, wenn man darüber nachdächte. Andererseits hat man ihn und die dazugehörige Band oft genug gehört, als daß man noch drüber nachdächte und dem Namen eine Bedeutung jenseits des arbiträren Zeichens beimessen würde - wie wenn man ein Wort so oft hintereinander aufsagt, bis es einem irgendwann fremd und sinnfrei vorkommt. Genau darum geht es auf der neuen Platte von OZSWMK: um automatisiertes und entautomatisiertes Sprechen, um Sprechen überhaupt.

Nach der behutsam sondierten Instrumentalplatte "Keinseier" aus dem Problemjahr 1994 wird auf "Leichte Teile, Kleiner Rock", ebenso behutsam und tastend, wieder gesungen und - Tatsache! - gesongwritet. Mit Vorbehalten und gesundem Selbstmißtrauen, versteht sich: Der alte Verdacht gegen Sprache als faschistoides Zwangssystem, das von vornherein affirmativ wirken muß, weil sich in ihm nur Dinge bezeichnen und ausdrücken lassen, die es schon gibt, erstreckt sich bekanntlich neuerdings auch auf das Konzept "Song" und schließlich auf die "Band" als atomistische Basiseinheit der Musikproduktion.

Trotzdem: Irgendwie scheint der totlaufende Solipsismus der Elektronik-Frickel-Neunziger ein Band- und Songpotential freigesetzt zu haben, das bei OZSWMK gar nicht mal schlecht aufgehoben ist. Irgend etwas scheint da zu funktionieren, wenn Songs auf einmal wieder auf dem Papier entstehen. "So erscheint auf dem Stück Papier / die Möglichkeit zu explodieren / Und irgendwie merke ich, es bewegt sich was / doch bin das ich oder das Tintenfaß", heißt es in einem mit "Doch" betitelten Song. Das alte Mißtrauen gegen die automatische Sprache bleibt und ist Thema, wie in anderen Kunstgattungen auch längst.

Gleichzeitig transzendieren die gelungeneren Songs die Stufe selbstquälerischer Introspektion und beschreiben irgend etwas außerhalb, Intersubjektivität gar, entwerfen abstrakte Bilder, sind lakonisch, poetisch, schön bisweilen. Das Rezept, wie und wieso das funktioniert, heißt Widersprüche nicht lösen, sondern aushalten. Oder schlichter: "Dabei ist der Dreh, man weiß es genau / ganz einfach Respekt vor dem eigenen Hau."

Und so funktioniert auch die Musik, d.h. die "Band", die trotzig auf Elektronik verzichtet und auf dem utopischen Moment beharrt, das treibende Schrummelgitarren und knöchernes Realschlagzeug seit den seligen Punkzeiten verströmen. Zugegeben: keine superoriginelle Dialektik, und sicherlich nicht der Ausweg aus den Aporien deutschsprachiger Popmusik mit - wie auch immer - intellektuellem Anspruch. Vielleicht sollte man auch gar nicht den Fehler begehen, allzuviel Bedeutung in die straighten zeitlosen Songs hineinzugeheimnissen.

Und so erscheint es für den Moment jedenfalls mehr als okay: klingt wie beschwingt und von historischem Ballast befreit; klingt nach Hamburg in der Nach-Hamburg-Ära und obendrein - der schillernde Titel "Leichte Teile, Kleiner Rock" suggeriert es - ein wenig modisch nach Laufsteg. Auch wenn derzeit noch nicht ganz raus ist, wo dieser Laufsteg eigentlich hinführt.

OZSWMK: "Leichte Teile, Kleiner Rock", L'Age d'Or, 1998