Viel Feind, viel Ehr

Perus Präsident Fujimori mobilisiert gegen Guerilleros in den Nachbarländern, die Opposition gegen den "fujimorismo"

Hast Du keine Guerilla mehr im eigenen Land, dann bekämpfe halt die der Nachbarn. So macht es zumindest Peru: "Fujimori ist auf der Suche nach einem neuen Feind", bewertete die spanische Tageszeitung El Mundo die Verlegung von Armeeeinheiten an die Grenze zum Nachbarland Kolumbien.

Der dortige Präsident Andrés Pastrana werde mit dem "Problem" der Guerillatruppen aus eigener Kraft wohl nicht fertig, gibt sich sein peruanischer Kollege Alberto Fujimori überzeugt und fordert eine "internationale Lösung". Mit "Drogenhändlern und Gewalttätern" wie den Guerilleros der Bewaffneten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) und der der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) dürfe man schließlich nicht verhandeln. Fujimori selbst habe ja weder mit Abimael Gœzman vom Leuchtenden Pfad noch mit Nestor Cerpa von der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru verhandelt und sei siegreich geblieben.

Und so macht sich die peruanische Armee rund drei Monate nach der zwischen Peru und dem Nachbarland Ecuador unterzeichneten Vereinbarung um den bis dahin umstrittenen Grenzverlauf (Jungle World, Nr. 35/98) schon wieder kampfbereit. Zunächst aber nur, so heißt es zumindest, um gegen auf peruanischem Gebiet agierende Guerilleros von Farc und ELN vorzugehen. In der kolumbianischen Hauptstadt Bogot‡ ist man darüber nicht gerade begeistert. Obwohl El Mundo mutmaßt, Fujimori betreibe sein aggressives Spiel nur, um "trotz der Einigung mit Ecuador den erhöhten Verteidigungshaushalt zu rechtfertigen".

Die peruanische Regierung, meint auch der Kongreßabgeordnete Javier Diez Canseco in einem Gespräch mit Jungle World, müsse als militärisch-zivile charakterisiert werden, die sich vor allem auf die enge Zusammenarbeit zwischen den mächtigen Militärs und den Geheimdiensten stütze. Dieser Charakter des Regimes Fujimori mache sich ebenso innenpolitisch bemerkbar: Die Justiz werde von Fujimori kontrolliert. Beispielsweise wurde eine Spezialkommission eingerichtet, die über den Finanzhaushalt der Gerichte bestimmt und die Richter ernennt.

Auch der Präsident der Wahlbehörden sei ein Vertrauensmann Fujimoris, den dieser nach dem Putsch 1992 zunächst zum Präsidenten des Obersten Gerichtshofes ernannt hatte. Zudem kontrolliere Fujimori Regionalregierungen, deren Präsidenten er persönlich ernenne. Die eigenständigen Haushaltsplanungen der Regionen seien abgeschafft, sie würden nun von der Zentralregierung bestimmt.

Canseco selbst, Mitglied der peruanischen Unabhängigen Linken, war im vergangenen Jahr aus fadenscheinigen Gründen für 120 Tage vom Parlamentsbetrieb suspendiert worden, und bezeichnet es nun als Ziel der Opposition, einen gemeinsamen Block zu bilden.

Bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen am 28. Juli 2000 soll daher das Demokratische Forum - eine Sammlungsbewegung von Sozialdemokraten, Christdemokraten, Unabhängigen, Nationalisten, Linken, Jugendbewegungen und Gender-Gruppierungen - gegen die Regierung antreten, um den "fujimorismo" abzulösen. Schon vorher hatte sich das Forum für ein Referendum eingesetzt, das eine dritte Amtszeit Fujimoris verhindern sollte.

Knapp eineinhalb Millionen Menschen votierten für ein Referendum gegen die Gesetzesänderung, die es Fujimori erlaubte, die Präsidentschaft erneut zu übernehmen. Die Vorschriften für Referenden wurden daraufhin kurzerhand geändert und die Unterschriftenlisten zu den Akten gelegt (Jungle World, 38/1998).

Die Opposition ist jedenfalls überzeugt, daß der "fujimorismo" mit oder ohne Fujimori fortgesetzt werden kann. Deswegen strebe die Oppositionsbewegung einen gemeinsamen Kandidaten aller Bewegungen an, um gegen den "autoritären, zentralistischen und neoliberalen Regierungskurs" anzugehen.

Dabei sind starke Krisentendenzen in Peru unübersehbar. Im vergangenen Jahr kündigte die Regierung vollmundig ein erwartetes Wirtschaftswachstum von mehr als sechs Prozent an. Tatsächlich betrug die Wachstumsrate 1998 etwa 0,7 Prozent. Gleichzeitig sind die sozialen Auswirkungen des neoliberalen Wirtschaftskurses der Regierung drastisch: Der gesetzlich festgelegte Mindestlohn liegt bei umgerechnet hundert US-Dollar im Monat. In Peru müsse zwölf bis vierzehn Stunden pro Tag gearbeitet werden.

Die weit verbreitete Unzufriedenheit hat nach Ansicht des Oppositionspolitikers Canseco aber dazu beigetragen, daß sich neue soziale Bewegungen für mehr Demokratie, gegen den Autoritarismus der Regierung und gegen die Machtkonzentration des zivil-militärischen Fujimori-Regimes formiert haben. Regionale Bewegungen kämpften um eine eigenständige Vertretung.

Nach einer langen Phase der Apathie hätten auch die Studierenden seit etwa zwei Jahren die Protestmärsche und Kämpfe auf der Straße wieder aufgenommen. 1998 seien zudem etwa zehn Streiks in unterschiedlichen Regionen durchgeführt worden. Soziale Bewegungen seien in Peru jedoch ständig durch die staatliche Repression gefährdet.