Bei Funkspruch Mord

Mit der Ermordung von drei US-Bürgern hat sich die kolumbianische Guerilla-Organisation Farc keine Freunde gemacht

Wenn ein Sprecher der kolumbianischen Guerilla Farc (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) zur besten Sendezeit live im Fernsehen auftritt, muß schon etwas geschehen sein. Wenn er sich dort auch noch öffentlich entschuldigt, wird offensichtlich, daß die Farc in ernsten Schwierigkeiten steckt.

Und tatsächlich droht seit dem Mord an drei US-Bürgern Ende Februar die Guerilla-Organisation den letzten Rest an Glaubwürdigkeit bei kolumbianischen Menschenrechtsorganisationen zu verlieren. Auch die USA, die, nach langen Jahren des Zauderns, erst in jüngster Zeit begonnen hatte, den Friedensprozeß in Kolumbien zu unterstützen, distanziert sich deutlich von der gößten Guerilla-Organisation des Landes.

Dem Sprecher der Farc, Raul Reyes, fiel es vergangene Woche im Fernsehen sichtlich schwer, den dreifachen Mord an den US-amerikanischen Forschern zu erklären. Die Tat, so Reyes, sei nicht von der Farc-Führung angeordnet worden. Der Comandante einer an der venezolanischen Grenze operierenden Frente habe die Aktion eigenmächtig angeordnet.

Am 25. Februar waren drei US-Bürger in der Nähe der Ortschaft Savavena unweit der Grenze nach Venezuela entführt worden. Sie hielten sich in der abgelegenen Region auf, um das Leben einer Indigena-Gemeinde, der U'wa, zu erforschen und sie bei ihrem Kampf um die ihnen zugewiesenen Reservate - in denen Erdöl gefunden wurde - zu unterstützen. Zwischen dem Tag der Entführung und dem 4. März, als die Leichen von Ingrid Washinawatak, Larry Gay Lahe'ena'e und Terence Freitas entdeckt wurden, war der Funkverkehr in der Region sowohl von US- als auch von kolumbianischer Seite überwacht worden. Dabei wurde auch der Befehl zur Liquidierung der drei Entführten aufgefangen - gegeben von Comandante Grannobles, alias Germ‡n Brice-o. Das geht zumindest aus einer Veröffentlichung der kolumbianischen Tageszeitung El Tiempo hervor, die Auszüge der Funksprüche dokumentierte.

Diese Sequenz, die übereinstimmend von den kolumbianischen Behörden und dem US-State Department präsentiert wurde, galt denn auch als erster Beweis für eine Teilnahme der Farc an den Verbrechen. Nur wenige Tage später und nach einer organisationsinternen Untersuchung folgte das öffentliche Eingeständnis. Nach Angaben des Farc-Sprechers Raul Reyes sollen die Verantwortlichen - nicht nur Grannobles, sondern auch die ausführenden Farc-Guerilleros - nun vor ein Kriegsgericht der Guerilla-Organisation gestellt werden.

Somit wird es zu der von James Rubin, dem Sprecher des State Departments, umgehend geforderten Auslieferung der Täter vorerst nicht kommen. Allerdings ist das Eingeständnis der Farc alles andere als üblich. Doch blieb der in jüngster Zeit national und international um ein besseres Image bemühten Guerilla-Organisation auch kaum etwas anderes übrig.

Die Beweise, die in kürzester Zeit zusammengetragen wurden, waren einfach erdrückend. Bereits wenige Stunden nach der Entführung der drei US-Bürger traf in der US-Botschaft in Bogot‡ ein Schreiben der U'wa ein, in dem Ort, Zeitpunkt und Täter genau beschreiben wurden. Auch der Mord selbst, der in der Nähe des venezolanischen Grenzortes La Victoria geschehen sein soll, soll von einem Zeugen beobachtet worden sein. Ein Bauer will von seiner Finca aus gesehen haben, wie die Farc-Guerilleros den US-Amerikanern Kapuzen über den Kopf gezogen und sie anschließend erschossen haben. Hinzu kamen die Protokolle von mindestens sechs aufgezeichneten Funksprüchen.

Sicher ist allerdings, daß die USA sich nicht allein mit der Entschuldigung der Guerilla begnügen werden. Bereits vor der Fernseh-Ansprache der Farc hatte das Weiße Haus verlangt, daß die Täter kolumbianischen Richtern übergeben werden müßten - sonst werde Washington seine Unterstützung für die kolumbianischen Friedensverhandlungen aussetzen. Diese Forderung wurde von US-Präsident William Clinton am Donnerstag erneuert.

Wenig Verständnis erntete die Farc auch vom kolumbianischen Friedensnetzwerk (Redepaz). Der Guerilla wird vorgeworfen, den Friedensprozeß leichtsinnig zu gefährden. Auch auf der Gründungsversammlung einer "Kampagne gegen Entführung und gewaltsames Verschwinden" Mitte vergangener Woche wurde an die Farc appelliert, von Entführungen endlich Abstand zu nehmen.

Allein im letzten Jahr wurden nach Angaben der unabhängigen Menschenrechtsorganisation Pais Libre 2 216 Menschen in Kolumbien entführt. Für 455 Entführungen wird die Farc verantwortlich gemacht, mit 416 Verschleppten folgt die wesentlich kleinere Guerilla-Organisation ELN (Nationales Befreiungsheer). Die meisten Entführungen würden dennoch, wie sich aus der Statistik von Pais Libre ergibt, auf das Konto von "gewöhnlichen Kriminellen" gehen.

Ob die Appelle an die Farc nutzen werden, ist zu bezweifeln, da die Organisation sich zu einem Gutteil auf diese Weise finanziert. Auch wird zunehmend in Frage gestellt, ob die Guerilla sich überhaupt an den Verhandlungstisch setzen will. Durch Regierungskreise wurde zuletzt das Gerücht gestreut, die Farc werde ihre Position ausbauen, also weitere Frentes eröffnen und die Zahl ihrer Kämpfer von derzeit etwa 15 000 auf 30 000 steigern. Erst dann sei mit ernsthaften Verhandlungen zu rechnen.