Guerilla entführt Flugzeug in Kolumbien

Luftnummer

"Wir werden demonstrieren, daß die ELN lebendig ist." Mit diesen markigen Worten soll, glaubt man der kolumbianischen Presse, ELN-Comandante "El Gallero" am vergangenen Donnerstag drei Geiseln aus der Gefangenschaft entlassen haben. Den Beweis ihrer militärischen Schlagkraft hatte die kleinere der beiden großen Guerilla-Organisationen Kolumbiens zu diesem Zeitpunkt längst erbracht. Mit der Entführung eines Linienflugzeugs der kolumbianischen Avianca-Linie - mit 41 Passagieren und fünf Besatzungsmitgliedern an Bord - vom vergangenen Montag hat das Nationale Befreiungsheer (ELN) seine jüngste Offensive wohl vorerst abgeschlossen.

Die Entführung eines Linienflugzeugs ist ein Novum für die seit 1964 bestehende Organisation. Kolumbiens Regierung und die gesamte Öffentlichkeit zeigten sich überrascht.

- Nicht von der minutiös geplanten Aktion, sondern davon, daß man nun auch in der Luft vor den berüchtigten "pescas milagrosas", wie die Entführungen in Kolumbien genannt werden, nicht mehr sicher ist.

Entsprechend scharf fiel ein Kommuniqué der Regierung Pastrana aus: Die ELN habe mit der Entführung "die elementarsten Regeln des internationalen humanitären Rechts verletzt", erklärte Regierungssprecher Gonzalo de Francisco und deutete an, auch gegen Angestellte des Flughafens Bucaramanga zu ermitteln: Ihnen wird vorgeworfen, die Passagiere auf dem Inlandsflug nach Bogot‡ nicht nach Waffen durchsucht zu haben. Im Vordergrund stehe jedoch, daß die Regierung keine Konzessionen an die Entführer machen werde.

Diese Position der Regierung wird allerdings durch die bisher 14 von der ELN aus "humanitären Gründen" freigelassenen Passagiere in Frage gestellt. So forderte Isabel Cristina Rinc-n, eine der drei am Donnerstag freigelassenen Geiseln, die Regierung auf, mit der Guerilla zu verhandeln. Nur so könne man die restlichen 32 Geiseln freibekommen.

Um Verhandlungen geht es auch der ELN. Sie will mit der Entführung die Regierung zur Entmilitarisierung der von der ELN dominierten Gebiete und wohl auch an den Verhandlungstisch zwingen. Dafür demonstriert die ELN nun jene militärische Stärke, die ihr zuletzt von der Armee-Führung des Landes abgesprochen worden war. In Regierungskreisen galt die ELN bisher als friedensbereit - im Gegensatz zu der größeren Guerilla-Organisation der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc), mit der sich die Regierung dennoch diese Woche in der entmilitarisierten Zone in San Vicente del Cagu‡n treffen wird.