Nach der Show zum Anwalt

"Arabella", "Hans Meiser" und "Vera am Mittag" sind weiterhin ein großes Ärgernis, das sich allmählich zu einem innenpolitischen Problem auswächst: Vergangene Woche setzten sich die Ministerpräsidenten zu einem Talkshow-Gipfel zusammen, um über die Verlegung von Pöbelrunden ins Abendprogramm zu beraten. Ebenfalls vergangene Woche wurde im Wuppertaler Von der Heydt Museum die Ausstellung "TALK.SHOW"( bis 24. Mai) eröffnet. Nicht weniger pessimistisch als der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck und seine Amtskollegen beurteilen die 21 Künstler aus den USA, England, Deutschland und der Schweiz die mediale Gesprächskultur. Mike Kelley setzt in "Dialogue #1" zwei abgegriffene Stofftiere auf eine rote Decke und spielt dazu aus einem Cassettenrecorder Schimpftiraden ein. Die Installation thematisiert, was nach Ansicht der Politiker das vordringliche Problem ist: die Beschallung des minderjährigen Publikums mit Obszönitäten.

Widerstand gegen die Gepflogenheiten der Talkrunden regt sich inzwischen unter den Talkgästen selbst. Nach Recherchen des Magazins "Panorama" werden diese häufig in die Sendungen geladen, ohne daß sie vorher über deren genauen Ablauf und das Thema in Kenntnis gesetzt werden. Die Zahl derer, die nach der Sendung schnurstracks einen Anwalt oder Psychologen aufsuchen, wächst.

Auch in den USA ist das quotenträchtige Format längst keine Geschmacksfrage mehr. Im Bundesstaat Michigan steht derzeit die Moderatorin Jenny Jones vor einem Gericht, das zu klären hat, ob die Talkmasterin den Tod eines Gastes mitverschuldet hat. Drei Tage, nachdem Talkgast Scott Amedure seinem Arbeitskollegen Jonathan Schmitz vor laufender Kamera gestand, seit vielen Jahren in ihn verliebt zu sein, erschoß Schmitz seinen Verehrer, weil er sich vor einem Millionenpublikum "bloßgestellt gefühlt" habe. Der Anwalt der Familie des Opfers, Jack Kevorkian, argumentiert, daß der "Homosexuellenhaß eines Geisteskranken für die Sensationslüsternheit einer Show-Firma mißbraucht" worden sei.