Antifa heißt Weitblick

Augengymnastik für Arier

Warum eigentlich tragen Stiefelnazis keine Brillen? Klar, Sonnenbrillen sieht man häufig, aber ganz normale Sehverstärker? Eindeutig Mangelware. Worin aber besteht der Unterschied zwischen getönt und ungetönt? Nun, das eine steht für Coolness, Härte und Unnahbarkeit, das andere schlichtweg für Intellektualität.

Die Brillenverweigerung des Nazi-Fußvolks trägt aber nicht nur politische - sprich: antisemitische und antilinke - Züge, sondern auch klassenspezifisch-symbolische. Denn während sich die selbsternannten Underdogs in kategorischer Ablehnung üben, kann man in den oberen Etagen der Braunzone auf derlei Hilfsmittel kaum verzichten: Die Neonazi-Kader Frank Schwerdt und Andreas Storr, erst recht ein Rechtsintellektueller wie Henning Eichberg, tragen Horn.

Neben der symbolischen Dimension gilt es aber auch die pragmatische zu beachten. Denn seit jeher verläuft bereits in der Grundschule eine wichtige Trennlinie zwischen brilletragenden Jungen und solchen, deren Mütter mit ihnen noch nicht beim Augenarzt waren. Einfach drauflosprügeln können nur jene ohne Brille - nicht nur auf ihresgleichen.

Diese Form der Hinderlichkeit einer 08/15-Brille ist aber nicht allein für Heranwachsende, sondern auch für das Leben eines ausgewachsenen Stiefelnazis konstitutiv. Ihr gegenüber zeichnen sich gerade Vollplastik-Sonnenbrillen durch einen günstigen Stückpreis bei vergleichsweise ausgeprägter Robustheit aus.

Da die Konfrontationen von Neonazis mit der Polizei selten tränengasgetränkt verlaufen, bliebe für den, der wirklich nichts mehr sieht, als Alternative immer noch die Kontaktlinse. Da aber der Glaubenskrieg um harte und weiche bislang kaum zum Kernbestand der Alltagskultur von Unter- bzw. unteren Mittelschichten zu zählen scheint, ist davon auszugehen, daß ein Großteil der deutschen Neonazi-Szene auf der Basis erheblicher Sehschwächen agiert.

Das wirft eine Fülle bislang nicht gestellter Fragen auf: Warum wird der Deutsche Schäferhund bevorzugt als Blindenhund eingesetzt? Heben Neonazis lediglich deshalb den rechten Arm, um nachzuprüfen, ob sie wenigstens noch die Hand vor Augen sehen? Oder erfüllt der "deutsche Gruß" nur den profanen Zweck, sich den Kopf nicht ständig an Ampeln und Straßenschildern zu stoßen?

Schlagen Neonazis nur deshalb bevorzugt auf Menschen mit dunkler(er) Hautfarbe ein, weil sie andere gar nicht erkennen können? Oder verhält es sich eher so, daß der Arier seit jeher nicht nur Runen-, sondern auch Augengymnastik betreibt? Und drückt sich seine vermeintliche Überlegenheit nicht zuletzt darin aus, daß er per se nicht an Sehschwäche leidet?