In Brüssel trafen sich Rechte aus zahlreichen Ländern zur National Conservatism ­Conference

Brüssel sehen und nerven

Rechte aus Europa und den USA trafen sich vergangene Woche in Brüssel bei der National Conservatism Conference. Mit dabei waren Viktor Orbán, Hans-Georg Maaßen und ein deutscher Kardinal.

Polizisten verbarrikadierten den Veranstaltungsort und ließen niemanden mehr hinein. Kaum hatte am Dienstag vergangener Woche die Konferenz der Nationalkonservativen am Rande des Brüsseler Europaviertels begonnen, wollten die Behörden sie schon wieder beenden. Zur Begründung hieß es, man befürchte »öffentliche Unruhen«. Von wem die ausgehen sollten, war zunächst nicht klar.

Die versammelten rechten Teilnehmer zeigten sich wütend. Die übliche Opferinszenierung begann. Ein deutscher Gast, der Kardinal Gerhard Ludwig Müller, sagte über das Vorgehen der Brüsseler Polizei: »Das ist wie Nazi-Deutschland.« Erst nach der Intervention eines Gerichts konnte die National Conservatism Conference (Natcon) schließlich doch weitergehen.

Zu der zweitägigen Vernetzungsveranstaltung versammelten sich Rechte aus Europa und den USA. Mit dabei war Politprominenz wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und Nigel Farage, der Ehrenvorsitzende der rechtspopulistischen britischen Partei Reform UK. Anwesend war auch der Vorsitzende der als Partei neu gegründeten Werteunion, der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen.

Je düsterer der Sprecher, desto lauter war der Applaus.

Der ehemalige polnische Ministerpräsident Mateusz Jakub Morawiecki (PiS) hielt eine Rede mit dem Titel »Making Europe Home, Factory, and Fortress Again« und verdeutlichte damit die inhaltliche Stoßrichtung der gesamten Veranstaltung: Hier treffen sich – teils auch extreme – Rechte zum Selbstgespräch, um den Untergang des Abendlandes zu beklagen. »The bleaker the speaker, the louder the applause«, so hatte ein Guardian-Autor die Atmosphäre auf der Natcon im Jahr zuvor zusammengefasst: Je düsterer der Sprecher, desto lauter war der Applaus.

Diese rechte Jammerveranstaltung wollte der zuständige Bürgermeister des Brüsseler Stadtteils Saint-Josse-ten-Noode, Emir Kir, offenbar nicht zulassen. Ein Verbot wurde vor Beginn nicht ausgesprochen, stattdessen schickte Kir am Dienstag die Polizei zum Tagungsort. Die ließ zwei Stunden nach der Eröffnung niemanden mehr hinein. Der Bürgermeister begründete das Vorgehen damit, dass die Veranstaltung »offensichtlich provokativ und diskriminierend« sei und deshalb »die öffentliche Ordnung ernsthaft stören« könne. Ob er Letzteres von den Konferenzteilnehmern befürchtete oder vom antifaschistischen Protest vor der Tür, blieb offen.

Belgiens liberaler Premierminister Alexander De Croo bezeichnete das Vorgehen des Bürgermeisters als inakzeptabel. »Politische Zusammenkünfte zu verbieten, verstößt gegen die Verfassung. Punkt«, schrieb de Croo auf X. Die Natcon-Organisatoren klagten direkt beim obersten belgischen Verwaltungsgericht – mit Erfolg. Am Mittwoch konnten sie die Tagung wie geplant fortsetzen. Ärger hatte es bereits vorher gegeben, weil zwei Veranstaltungsorte nach Protesten abgesagt hatten. Die Veranstalter erklärten sich zum Opfer einer Cancel Culture, die sie aufgrund des Austragungsorts gleich mit der angeblich repressiven Politik der Europäischen Union identifizierten. In dieser polizeilich durchgesetzten Zensur zeige sich der Geist der EU, so hieß es. Brüssel war als Ort der Natcon ohnehin mit Bedacht ausgewählt worden. Am 9. Juni sind Europawahlen, gleichzeitig wird in Belgien auch das nationale Parlament gewählt.

Die seit 2019 regelmäßig stattfindenden Konferenzen – nächster Termin ist im Herbst in Washington, D.C. – veranstaltet die Edmund Burke Foundation, ein in der US-amerikanischen Hauptstadt ansässiger Think Tank. Dessen Leiter, der israelische Intellektuelle Yoram Hazony, propagiert einen konservativen Nationalismus, wofür er seit Donald Trumps Wahlsieg im Jahr 2016 viel Aufmerksamkeit erhielt. Die Burke Foundation sieht sich als Verteidigerin von »traditionellen Werten«. Dafür soll die Konferenz Politiker, Wissenschaftler und Journalisten zusammenbringen. In Brüssel trugen einzelne Podiumsdiskussionen Titel wie »Das Ende nationaler Souveränität?«, »Der Staat im multikulturellem Zeitalter« und »Die Zukunft des Konservatismus«.

»Gefahren für Glauben und Familie« waren einmal mehr das Thema von Gloria von Thurn und Taxis. Die erzkatholische Aktivistin steht der sogenannten Lebensrechtsbewegung nahe.

»Migration als ein ideologisches Projekt« lautete der Titel des Vortrags, mit dem Hans-Georg Maaßen angekündigt war und den er am Mittwoch auch halten konnte. Der ehemalige oberste Verfassungsschützer Deutschlands, der inzwischen vom Verfassungsschutz als »Rechtsextremist« eingestuft wird, gab in Brüssel den aufstrebenden Oppositionspolitiker. Angela Merkel habe die CDU zur »ökosozialistischen Partei« umgebaut, erzählte er in seinem Vortrag, die deutsche Migrationspolitik sei ideologisch getrieben.

»Gefahren für Glauben und Familie« waren einmal mehr das Thema von Gloria von Thurn und Taxis. Die erzkatholische Aktivistin steht der sogenannten Lebensrechtsbewegung nahe, lehnt die Legalisierung der Abtreibung ab, europäische Migrationspolitik hält sie für eine Art Kriegsführung nach innen, sie leugnet die Klimakatastrophe und wittert hinter allem Schlechten die »Superreichen« als Drahtzieher. Im Sommer 2023 veranstaltete sie ein Spenden-Dinner für Hans-Georg Maaßens Werteunion.

Als besonderen Gast der Konferenz war Gerhard Ludwig Kardinal Müller angekündigt, ein Erzbischof und ehemaliger Bischof von Regensburg der katholischen Kirche. Der damalige Papst Benedikt XVI. hatte Müller als obersten Glaubenshüter der Weltkirche nach Rom geholt, als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre. Seiner Aufgabe, die Verfolgung von Missbrauchstätern voranzutreiben, kam er Kritikern zufolge nur zögerlich nach.

Der Kardinal hat eine Vorliebe für NS-Vergleiche. Den Synodalen Weg – ein reformorientiertes Gesprächsforum innerhalb der deutschen katholischen Kirche – verglich er mit dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten. Pandemieschutzmaßnahmen bezeichnete er als »Gleichschaltung«. 2020 unterzeichnete er einen offenen Brief, der in verschwörungsmythischem Duktus vor Kräften warnte, »die daran interessiert sind, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen« und eine »Isolation der Individuen« zu fördern, »um sie besser manipulieren und kontrollieren zu können«.

Jüngst kritisierte er eine Stellungnahme der deutschen Bischöfe gegen die AfD. Drastisch fiel seine Wortwahl auch aus, als die Polizei die Natcon blockierte. Müllers Auftritt wurde davon überschattet, ein Mitschnitt findet sich im Gegensatz zu den anderen Konferenzinhalten nicht. Einem teilnehmenden Blogger zufolge zog Müller auch hier den eingangs zitierten Nazi-Vergleich. Über die Polizei soll er außerdem gesagt haben: »Die sind wie die SA.«