Einer gegen Bayern

Seit ihn die alten Kameraden nicht mehr schützen, plaudert Waffenhändler Schreiber aus dem Nähkästchen der CSU.

Die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelte 1995 bereits einige Monate wegen Steuerhinterziehung gegen ihn, da schwang sich Karlheinz Schreiber hinter die Schreibmaschine und erklärte den Herren von der Justiz: "Kennen Sie die Sorgen, die Ministerpräsident Stoiber um den Schlaf bringen? Nehmen Sie und Ihr Haus zur Kenntnis, daß ohne Politiker wie ihn längst das technologische Aus für Deutschland gekommen wäre?"

Bayerns Ministerpräsident ist das Lob heute wohl eher peinlich. Rechtfertigt Schreiber doch in diesem Brief seine Schmiergeldzahlungen bei internationalen Waffen und Flugzeugverkäufen. Bayerisch-pathetisch der Schluss: "Right or wrong - my country! Ich liebe dieses Land und insbesondere den Freistaat Bayern." Den will der 65jährige Schreiber heute ebenso wenig wieder sehen wie Stoiber ihn. Denn der Waffenhändler steht in Toronto unter Polizeiaufsicht, das Auslieferungsverfahren an Deutschland läuft. Hier droht ihm der Prozess, und den CSU-Spezln drohen derbe Peinlichkeiten. Zwar rief Strauß-Intimus Schreiber in die TV-Kameras: "Sagt meinen Freunden, dass ich zu ihnen halte", doch zieht er bereits jetzt einen Haufen Schmeißfliegen hinterdrein.

In Richtung Südamerika beispielsweise. So soll laut Schreibers vagen Ausführungen der Bundesnachrichtendienst (BND) in den Achtzigern auf Betreiben der CSU Waffen an die rechten Contras in Nicaragua geliefert haben. Glaubwürdig ist dies insoweit, als dass Schreiber Mitarbeiter des BND - nach eigenen Angaben schon unter General Reinhard Gehlen - war. Der Geheimdienst, so schreibt Schreiber, habe 1983 "auf Grund von Vereinbarungen" zwischen Strauß, dem früheren US-Außenminister Henry Kissinger und dem damaligen Präsidenten Costa Ricas "versucht, den Vorstellungen der genannten Herren zu entsprechen". Der BND kann für all das keine Anhaltspunkte finden. In Pullach gab es auch damals bereits einen Spezialofen zur schnellen Aktenvernichtung.

Eine höhere Aufklärungswahrscheinlichkeit bieten andere Geschäfte Schreibers. Seine Panzerverkäufe an Saudi-Arabien sind für den Bundestag von Interesse. Momentan gibt es Anzeichen für einen möglichen Schreiber-Pfahls-Untersuchungsausschuss. Grund sind die Ergebnisse der Augsburger Staatsanwaltschaft. 1991, so die Strafverfolger, ließ Schreiber 36 Fuchs-Panzer der Firma Thyssen nach Saudi-Arabien rollen - auf einer breiten Schmiergeldspur. Von 394 Millionen Mark Auftragswert seien 188 Millionen Mark für Bestechung draufgegangen. Für Thyssen trotzdem ein lohnendes Geschäft. Ärgerlich nur, dass ein Batzen Schmiergeld auch an Steuerpflichtige ins Inland floss - das ist illegal.

Der damalige CSU-Staatssekretär im Verteidigungsausschuss und Ex-Verfassungsschutz-Präsident Holger Pfahls soll 3,8 Millionen Mark erhalten haben. Der Mann hatte eine taugliche Gesinnung: 160 Fuchs- und Gepard-Panzer wollte er den Saudis liefern. Trotz starker Bedenken Israels. Außenminister Genscher war bis zuletzt dagegen. Und doch wurden die 36 Panzer binnen weniger Tage freigegeben.

Holger Pfahls wird per Haftbefehl gesucht. Er bleibt irgendwo in Asien verschwunden. Doch Schreiber verspricht auch aktiven Politikern Ärger. Gar zwei Minister aus Edmund Stoibers Kabinett bringt er womöglich in die Bredouille.

Für Wirtschaftsminister Otto Wiesheu hatte Schreiber ein paar Tausend Mark Spende an den CSU-Kreisverband und 1994 eine Bitte: Er solle doch dem Präsidenten der Firma Thomson CSF einen Termin beim österreichischen Kollegen Wolfgang Schüssel (ÖVP) verschaffen. Es ging um eine Radar-Ausschreibung des Alpenstaates, bei der Thompson auszuscheiden drohte. Nach dem Treffen wurde Thompson plötzlich doch Sieger. Einige Monate drauf machte eine Selbstanzeige bekannt, dass Thompson einem SPÖ-Wehrexperten für die SPÖ-Zustimmung zum Thompson-Angebot 3,15 Millionen Mark geboten hatte. Und die ÖVP? Bei einer Hausdurchsuchung fand die Staatsanwaltschaft kryptische Aufzeichnungen Schreibers: "Wiesheu wg. Schüssel S 100 T 30 M 25 K 25"". Was war wieso wohin geflossen?

Im Falle Stoibers zweiter lädierter Ministerin ist dies nur ein wenig klarer. Monika Hohlmeier ist seit 1993 Kultusministerin in Stoibers Kabinett. Und Tochter des seligen Franz Josef. Zusammen mit ihren Brüdern Max und Franz Georg Strauß bildet sie die Erbengemeinschaft, war zumindest bis Anfang 1999 an den kanadischen Firmen F.M.S. (Franz Josef und Marianne Strauß), B.L.A. und weiteren beteiligt. Als Direktor all der Unternehmen agierte der Freund der Familie Karlheinz Schreiber. 1986 setzte er bei einem Immobiliengeschäft für den Strauß-Clan an die fünf Millionen Mark in den Sand. Das musste wettgemacht werden. Wurde es auch. Die Staatsanwaltschaft behauptet: 5,2 Millionen Mark überwies Schreiber bis 1993 auf die Konten Max Strauß. Denn zusammen hatten die beiden lukrative Beraterverträge mit dem Airbus-Konzern geschlossen. Ehrlich erworbenes Geld also. Dumm nur, dass hier unversteuerte Provisionen flossen. Glaubt die Staatsanwaltschaft und hängt Max am Hals. SPD-Landeschefin Renate Schmidt frohlockt, sieht sie Ministerin Monika gar im Amigo-Sumpf. "Ob sie nur bis zu den Füßen oder bis zum Hals drinsteckt, werden wir aufklären." Warum sie als gleichberechtigte Erbin nichts von den Kompensationen Schreibers wusste, wird Hohlmeier ihrem Chef Stoiber noch erklären müssen.

Der hat derweil selbst mit einem Airbus-Problem zu kämpfen. Schreiber musste den Ministerpräsidenten erinnern, er sage nicht die Wahrheit, wenn er behaupte, von Airbus-Geschäften nichts gewusst zu haben. Leicht konkretisieren musste Stoiber seine Äußerungen da: Er hatte 1987 als Leiter der Bayerischen Staatskanzlei unter Strauß mit der Anbahnung des Verkaufs dreier Airbus-Maschinen an die DDR-Linie Interflug zu tun. Im Mai 1987 erfuhr er durch den Springer-Vorstandsvorsitzenden Peter Tamm vom Interesse der Interflug. Die Offerte übermittelte er sogleich seinem Meister Franz Josef, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Airbus GmbH.

220 Millionen Dollar war das Geschäft wert. 4,5 Prozent Provision sind bei solchen Geschäften durchaus üblich. Wer die 16 Millionen eingesteckt und vielleicht nicht versteuert hat, ist unbekannt. Strauß-Sohn Max hat jedenfalls am 29. Dezember 1989 dem ins DDR-Geschäft eingebundenen Makler Christian Hinneberg geschrieben, er werde "auf eine weitere Verbreitung des Gerüchts", die Familie Strauß habe an diesem Geschäft verdient, "mit einer Strafanzeige wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener reagieren". Von all dem will Stoiber nichts wissen. Er sei keineswegs beim Telefonat von Strauß und Alexander Schalck-Golodkowski zugegen gewesen und von Provisionszahlungen wisse er nichts.

"Der Arzt des Regierungschefs, Argirov, muss wohl ein Spezialist für Alzheimer sein", diktierte Schreiber voller Verbitterung der Presse. Da meinte er die Airbus-Deals. 1996, 1997 und 1998 schrieb Schreiber dem alten Bekannten Stoiber, bat, Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft in Augsburg gütiger zu stimmen, berief sich gar auf die gemeinsame Strauß-Bekanntschaft. Wie er wohl darauf kam, der Ministerpräsident werde ihm gegen die lästige Staatsanwaltschaft helfen? Kanzler wollte Stoiber 2002 eh nicht werden, erklärte er im Juni. Vielleicht will die grau gewordene Weißweste dann auch niemand mehr.