Howard Carpendale

"In Amerika sind die Vibrations echt positiv"

Während einer unglaublich schlecht ausgeleuchteten ZDF-Hitparade telefonierte er mit seiner verschollen geglaubten Mutter in Südafrika. Für eine Boulevard-Zeitung ließ er eine komplette Saudi-Arabien-Reise durchfotografieren - er selbst immer im Bild, verkleidet als greller Scheich. Und was kommt jetzt? Nach sieben Jahren Miami Beach hört sich Howard Carpendale ein ganz klein bisschen an wie Marius Müller Westernhagen auf Melatonin. Wer sie aber immer noch sucht, die Spuren im Sand, der findet einen Mann, dem Golf wichtiger ist als Gott. Im Wandelgang des Zwiegesprächs verrät Howard Carpendale sein letztes Geheimnis.

Herr Carpendale, es ist noch so früh, und Sie sehen schon so frisch aus. Wie schaffen Sie das eigentlich?

Ich wasche mir jeden Morgen die Haare.

Die Art, wie Sie den Föhn benutzen, ist inzwischen zur Legende geworden.

"Legende" ist ein großes Wort. Ich sehe mich nicht als Legende. Ich stehe nicht vor dem Spiegel in meiner schönen Wohnung, und sage: Wow, ich bin Howard Carpendale.

Aber für die Generation unserer Väter - in diesem Fall wäre es wohl besser zu sagen: Mütter - waren Sie der Prototyp des Sunnyboys. Ein wohlgenährter blonder Junge auf einer Drehbühne, in der Hand ein bauchiges, goldenes Mikrofon und einen Strauß voll Rosen.

Jetzt reden Sie von der Vorstellung, die eine Menge Leute von mir haben; aber das ist ein Bild, das nichts mit mir als Mensch zu tun hat. Ein Sunnyboy, das ist das Letzte, was ich bin; fragen Sie die Frauen, mit denen ich zusammen war. So sunny ist das alles wirklich nicht.

Nein?

Nein. Das liegt an Deutschland, an der schlechten Stimmung, die hier verbreitet wird. Ganz allgemein gibt es eine Miss-Stimmung in Deutschland. Ganz anders in Amerika, wo ich einen großen Teil meines Lebens verbringe. Dort sind die Leute wirklich gut drauf, die Vibrations sind echt positiv. In Deutschland ist das ganz anders, da gehen die Leute in Filme, die einfach nur blöd sind. Wie "Ballermann 6". Mein Sohn war auch in diesem Film, mit vielen Flaschen Bier.

Aber vielleicht hat Bier wenigstens noch etwas mit Rock zu tun.

Nein, überhaupt nicht. Rock ist ein Gefühl, wenn alles da ist, zur richtigen Zeit. Wie bei Peter Maffay, dem erfolgreichsten Rock-Sänger Europas. Er hat eine unglaubliche Wandlung hinbekommen - und viele wollen das nicht wahrhaben.

Aber Sie haben sich doch auch gewandelt.

Meine stärkste Wandlung bezieht sich auf das Gesicht. Ich habe selten eine krassere Gesichts-Veränderung gesehen als die Veränderungen in meinem Gesicht; nur so, wie es jetzt ist, fühle ich mich wohl. Und das ist schließlich die Hauptsache. Früher hatte ich ein Babyface, ich war ein typischer deutscher Schlagersänger, der nichts zu sagen hatte.

Ist Howard Carpendale heute ein, wie sagt man, Interpret mit Tiefgang?

Nein. Ich mache Unterhaltungsmusik.

Für diese Unterhaltungsmusik haben Sie eine Art Feldzug durch alle Radiosender geführt. Damit ihre Lieder gespielt werden, kauften Sie Sendezeiten; 700 000 Mark davon sollen Sie aus eigener Tasche bezahlt haben. Sind Sie auf einer Mission?

Nein.

Aber Sie kämpfen.

Ja.

Einmal hat jemand gesagt: "Wer kämpft, wird beschädigt."

Ich versuche nur immer wieder, mir einen Platz in der Wirklichkeit zurückzuerobern.

Das hat übrigens Peter Gauweiler gesagt.

Ich kenne diesen Peter Gauweiler nicht, aber wahrscheinlich hat er Recht. Wissen Sie, ich habe harte Zeiten hinter mir. Mit meiner ersten Band habe ich wochenlang gespielt, in Bars, in kleinen Clubs, jede Nacht für 20 Mark, vor über dreißig Jahren. Meistens in Düsseldorf, manchmal auch auf Sylt. Von Jimi Hendrix bis zu den Rolling Stones habe ich damals alles gesungen.

Wahnsinn.

Dann kam ein Mann und bot mir einen Plattenvertrag. Und bis heute weiß ich nicht, warum ich hätte Nein sagen sollen.

"Capitalism is about freedom as it is about exploitation."

Wie bitte?

Auch der ganz frühe Carpendale, auf den allerersten Scheiben, singt in unsrer schönen deutschen Sprache. Da ist der Hendrix abhanden gekommen, ohne dass es jemand gemerkt hätte. Was ja eigentlich auch gar nicht so schlimm ist.

Ich verstehe diese Frage nicht.

Sahen Sie eigentlich einen Unterschied zwischen Jimi Hendrix und Vico Torriani, oder war das für Sie alles Unterhaltungsmusik?

Für mich war das eine Art Wandel, und dieser Wandel kam ganz klar mit dem Vertrag. Aber Jimi Hendrix, Vico Torriani, es sollte nicht dieses Schubladendenken geben, mit der einen Schublade für Schlager und der anderen Schublade für Rock. Es sollte mehr Zusammenarbeit geben, von Patrick Lindner bis Heavy Rock.

Patrick Lindner?

Ja.

Wie finden Sie eigentlich Peter Alexander?

Peter Alexander hat viel geöffnet für die nächste Generation.

Glauben Sie an Peter Alexander?

Wie meinen Sie das?

Glauben Sie an ihn, wie man an Gott glaubt?

Ich glaube nicht an Gott. Ich glaube an Golf. Zumindest kann ich nicht bedingungslos an Gott glauben, denn schließlich hat die Kirche alles getan, um diesen Glauben zu zerstören. Die heile Welt gibt es nicht.

Hat Gott Ihnen denn nicht den Weg gezeigt?

Nein. Ich stehe auf der Bühne und bringe 4 000 Menschen in Ekstase, immer noch, und das ist ein echt tolles Gefühl, das können Sie mir glauben. Aber wenn ich einmal tot bin, ist das alles vorbei. Mein erster Manager wollte, dass ich in einer schwedischen Rock-Gruppe singe. Wenn ich das gemacht hätte, würde ich jetzt in Vegas sitzen. Oder in einer Eck-Kneipe in Köln. Wer weiß das schon?

Sie. Schließlich sind Sie Howard Carpendale.

Quatsch. Das ist wirklich Blödsinn. Niemand weiß das. Warum bin ich hier? Warum sterben Menschen? Eine Antwort gibt es nicht. Wissen Sie, mein Sohn studiert BWL. Manchmal rufe ich ihn an, einfach so, um drei Uhr nachts. Weil ich ihm etwas sagen möchte. Wollen Sie wissen, was ich dann zu ihm sage?

Gern.

Du sollst happy sein. Denn das Leben ist verdammt kurz. Du sollst happy sein - egal, was passiert.

Herr Carpendale, wann tun Sie sich eigentlich selbst mal was Gutes?

Jeden Tag höre ich "Wild Horses" von Gino Vanelli, laut und in Stereo. Dazu schaue ich mir das Video an. Darin gibt es eine Frau mit langen schwarzen Haaren. Das finde ich sehr erotisch.