Pogrome in Spanien

Moros y Cristianos

Die »spanische Seele« kocht in El Ejido, seitdem ein mental gestörter nordafrikanischer Migrant dort vor eineinhalb Wochen eine 26jährige Spanierin ausraubte und erstach. Vermummte Jugendliche schlagen in der Kleinstadt bei Almer'a nordafrikanische Erntearbeiter zusammen, zertrümmern ihre Wohnungen, Lebensmittelgeschäfte, Treffpunkte und Bet-Räume. Ihre Eltern und Großeltern - gestern selbst noch als »Gastarbeiter« in Frankreich und Deutschland nicht gerade geliebt - applaudieren dem randalierenden Nachwuchs. Scheinbar über Nacht ist Spanien der europäischen Gemeinschaft der Xenophoben beigetreten.

Die Polizei hält sich zurück. Das offizielle Spanien tut schockiert. Die politische Klasse zeigt sich vor laufenden Kameras und eingeschalteten Mikrofonen erschüttert über den »unerklärlichen« Ausbruch von Gewalt und distanziert sich mit wohlfeilen Worten von den »Maurenjägern«.

Die Überraschung ist geheuchelt, denn die Ereignisse in Südspanien haben sich schon vor Jahren abgezeichnet. Seitdem Spanien zum Wintergarten der EU geworden ist, sind die Betreiber der riesigen Treibhäuser auf die billigen Arbeitskräfte aus den südlichen Armutsregionen angewiesen. Die rasante Auflösung der gesellschaftlichen Strukturen im Maghreb und dem Rest Afrikas hat den Migrationsdruck immens erhöht.

Spanien versucht, sich und die EU abzuschotten. Mit einem perfiden System der Überwachung hat die Regierung die südliche Flanke der »Festung Europa« zu einem Bollwerk ausgebaut, ohne die Zuwanderung wirklich eindämmen zu können. Im letzten Jahrzehnt hat die Regierung immer wieder das alte rassistische Lied von der begrenzten Aufnahmefähigkeit einer Gesellschaft gesungen, obwohl Spanien mit einem Ausländeranteil von 1,6 Prozent weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt.

Die MigrantInnen hat das wenig beeindruckt. Die Bevölkerung hat den Hinweis aber verstanden. Alle haben von den mehrheitlich illegalen und damit rechtlosen Zuwanderern profitiert: die Treibhausbesitzer und Schwitzbuden-Inhaber, die Hungerlöhne von zwanzig bis vierzig Mark am Tag zahlen, wie die Wohnungsinhaber, die ihre spärlich möblierten 3-Zimmer-Appartments zu Höchstpreisen an zwölf und mehr Personen vermieten. Eine unheilige Allianz, in der dem Staat die Rolle zukommt, die Zuwanderung entsprechend dem Bedarf zu regulieren.

Aber über die Jahre hat sich dabei eine explosive Situation entwickelt. Bei den ArbeitsmigrantInnen hat die erlittene Ausbeutung, Ausgrenzung und Verachtung zu Hass geführt. Viele ducken sich nicht mehr. Sie haben kapiert, dass sie die Produzenten des spanischen Wohlstands sind. Diese »stolze Frechheit« der Fremden empört wiederum diejenigen, die sich als die »Einheimischen« verstehen.

Bereits vor acht Jahren häuften sich ausländerfeindliche Aggressionen. Die Stätten des alltäglichen Rassismus und beginnender Pogrome: die Ramblas in Barcelona, Ca n'Anglada de Terrassa bei Barcelona, Almer'a, Murcia, Madrid, Fuerteventura. Ein Anlass lässt sich immer finden. El Ejido aber steht in Spanien für den qualitativen Sprung zur kollektiv organisierten Verfolgung von ArmutsmigrantInnen.

Ein neues Einwanderungsgesetz will die Zahl der Illegalen drastisch reduzieren. Diese Arbeit wird dem #Gesetzgeber jetzt von den Brandschatzern von El Ejido abgenommen. Was produziert »Rückwanderung« schneller als Pogromstimmung und eine Hetzjagd auf »Moros»?