Faschismus und Film

Nationale Berlinale

Die Welt zu Besuch im deutschen Vaterland: Auch dieses Jahr waren die Berliner Filmfestspiele ein voller Erfolg - durch Tradition! Seit gut 10 477 Jahren wird das Festival von denselben Leuten gemacht, allen voran Festival-Jungstar Moritz de Hadeln. Ehrfurcht vor schlohweißen Haaren: Der Mann konnte sich überhaupt nicht vorstellen, warum die kleinen Mädchen am Potse wegen Leonardo DiCaprio ausflippten. Viele andere auch nicht. Der Platz ist übrigens ausschließlich für die Filmfestspiele ausgebaut worden.

Gut gelaufen ist auch das gesellschaftspolitische Thema Nummer eins: der Faschismus. Einfühlsam, aufregend, skurril, so nennt die Fachpresse die mannigfachen Annäherungsversuche unserer Filmschaffenden. Schon am ersten Tag machten österreichische Demonstranten das Publikum durch mitgebrachte Transparente mit ihrem derzeit einzigen Film- und Fernsehstar, Jörg Haider, bekannt. Man sah künstlerische Entwürfe über Himmler, japanische Nazis, Zündel und Leuchter. Weltverschwörung, »Auschwitz-Lüge«, alles dabei. Mein persönlicher Lieblingssatz: »Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze (Frauen, Sozi-Knete, Frittenbuden etc.) weg.« In allen Variationen. Man kann es gar nicht oft genug wiederholen. Die Leute müssen es ja lernen. Also noch mal: »Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg.«

Nazismus in den östlichen Bundesländern habe seine Ursache darin, dass sich die Menschen dort plötzlich zu Deutschen zweiter Klasse abqualifiziert sahen. So schreibt taz- und junge Welt-Kolumnist Helmut Höge. Damit sind sie also schon ein bisschen zum Faschismus berechtigt.

Der Film, zu dem diese Textstelle gehört, heißt »Neustadt« (Regie: Thomas Heise). Darin kommen echte Ostdeutsche aus Halle zu Wort, über ihr Leben, übers Trinken, über Öde, über Ausländer. Von denen kommt keiner vor, weil das dann ein »politisch korrekter Film geworden wäre« (Heise). So was will natürlich keine Sau sehen. Der Zuschauer ist ohnehin kundig. Kritiker sind mit diesem Hinweis aus der Volks-Filmbewertungsstelle abzubürsten.

Der Hauptdarsteller ist der in der anschließenden Diskussion zärtlich titulierte »Konrad«, »Landesvorsitzender der Freiheitlichen Volkspartei Sachsen-Anhalt«. Konrad: »Ich arbeite gern mit jungen Leuten.« Na, sag noch mal einer, es gebe keinen hoffnungsvollen Polit-Nachwuchs. An der Wohnzimmerwand hat er ein schönes Bild aufgehängt, das Hitler gemalt hat. Kunstverstand hat der junge Mann also auch. Ansonsten: ostdeutsches Jammertal. Um das szenisch darzustellen, wurde die Stadt Halle aus einem regennassen Autofenster gefilmt. Um die Krise wirklich zu zeigen, verweilt die Kamera einen Tick zu lange auf einem Kioskständer. Randvoll mit ausländischen Zeitungstiteln. Aber das Schönste, 90 Minuten lang: Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Eine Variante ist auch: Bloß weil ich national eingestellt bin, bin ich doch kein Nazi, bzw.: Das können gar keine Nazis sein, die gibt's doch seit 60 Jahren nicht mehr. Weiteres entnehmen Sie bitte der nächsten NPD-Demo.

Aber man soll die Hoffnung nie aufgeben: So lange unsere Mädchen wegen Schwulen-Ikone DiCaprio durchdrehen, ist alles möglich. Sag noch mal einer, es gebe keinen hoffnungsvollen Nachwuchs. Schwule und Lesben, die sind die Rettung. Hoffentlich. Auch nächstes Jahr werden die Filmfestspiele wieder ein voller Erfolg.