Europa versus USA

Roquefort wird siegen

In ganz Europa wird die Dominanz der USA beklagt. Die Nordamerikaner seien führend in der Wirtschaft, in Wissenschaft und Technik, geht die Klage von Brüssel bis Berlin. Die Yankees hielten nicht nur die Kulturindustrie unter ihrer Fuchtel, sondern dominierten auch noch die Fast-Food-Ketten. Und die besseren Waffen haben sie sowieso. Das Reich von Bill Gates und McDonald's ist führend in der ganzen Welt, da sind sich die Europäer einig.

Von den Vereinigten Staaten lernen, heißt siegen lernen, lautet daher das heimliche Motto, unter dem sich diese Woche die führenden sozialdemokratischen Politiker Europas in Berlin versammeln, um über neue Wege des »Regierens im 21. Jahrhundert« zu beraten. Sie scheinen ihre Lektion gelernt zu haben. Denn im Laufe der letzten Jahre haben die New Social Democrats erfolgreich die US-Wirtschaftspolitik kopiert: Deregulierung und schlanker Staat, Sparhaushalte und New Economy heißen die Zauberworte, die in London, Rom und Stockholm längst zum Standard sozialdemokratischer Politik gehören.

Auch wenn die Aufholjagd zum großen Bruder gerade erst begonnen hat, deutet vieles schon darauf hin, dass die Europäer den ökonomischen Vorsprung aufholen werden: In wichtigen Branchen wie BioTech und Kommunikationstechnologie haben sie mit den Vereinigten Staaten bereits gleichgezogen. Zwar sind die Versuche sehr zaghaft, den USA politisch Konkurrenz zu machen. Zu groß ist vor allem der militärische Vorsprung, um in absehbarer Zeit aufzuholen. Solange die US-Wirtschaft boomt, können die Europäer es noch nicht wagen, sich von der Nato abzukoppeln: Kein Krieg im nächsten Jahrzehnt wird ohne das Pentagon laufen, so viel ist klar. Die transatlantischen Schlachten werden noch für einige Zeit auf ökonomischem Felde geschlagen.

Dass die Macht aus den Fabriketagen kommt, wissen auch Jospin, Blair und Schröder. Und nur wer ökonomisch führend ist, kann sich auch die militärische Dominanz erkaufen. Dies zeigt sich gerade im neuen Rüstungsvorhaben der USA: Das teure Raketenabwehrsystem ist nur finanzierbar durch den größten Boom in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte.

Überholen ohne einzuholen, so wurde schon einmal die Aufholjagd mit den USA benannt. Kein Wunder also, dass die Europäer von der Vorstellung eines neuen Rüstungswettlaufs nicht begeistert sind. Sie wollen ihre Ressourcen schonen - und zunächst einmal die ökonomische und kulturelle Hegemonie erobern.

Dazu müssen sie beweisen, dass sie den USA nicht nur wirtschaftlich überlegen sind, sondern zudem über das bessere Gesellschafts-Modell verfügen. »Europa, darin besteht Einigkeit, muss eine soziale Alternative bieten. Wettbewerb ja, aber nicht die totale Konkurrenz«, formuliert es beispielsweise der Spiegel in seiner neuesten Ausgabe. Dieser Kulturkampf wird auch von großen Teilen der europäischen Linken unterstützt, die die Idee des traditionellen Sozialstaates gegen den US-Liberalismus verteidigen will. Dabei übersieht sie, dass die Europäer längst dabei sind, ein neues Selbstbewusstsein aufzubauen, das auf einer gemeinsamen kulturellen Identität beruht.

So hat der deutsche Musiksender Viva dem Vorbild MTV bei den Einschaltquoten schon den Rang abgelaufen. In Frankreich zündeten Links-Nationalisten McDonald's-Filialen an, während andere Aktivisten aus Protest gegen die US-dominierte Globalisierung französischen Käse zum WTO-Gipfel nach Seattle brachten. Europa gibt sich optimistisch: Roquefort wird siegen.