US-Militärhilfe für Kolumbien

Der Terror wird privatisiert

Bei der Militärhilfe für Kolumbien will die US-Regierung mit kommerziellen Sicherheitsunternehmen zusammenarbeiten.

Nicht nur in der Produktion von Waren ist Auslagerung angesagt. Auch andere Branchen bedienen sich dieser Methode. Und es gibt nicht wenige, die sich auch offensiv dazu bekennen: Zum Beispiel der Drogenbeauftragte der Clinton-Regierung, General Barry McCaffrey. »Ich bin ein Bewunderer des Outsourcing«, zitierte die Dallas Morning News bereits im Februar den Golfkriegsgeneral, der sich in der US-Öffentlichkeit derzeit wegen des Todes von mehreren Hundert irakischen Soldaten nach Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens 1991 zu rechtfertigen hat. Es gebe, so McCaffrey, »sehr wenige Dinge im Leben, die man nicht outsourcen kann.«

Der Satz des Vietnam-Veteranen fiel im Zusammenhang der 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe, die der US-Kongress in den nächsten zwei Jahren mit dem so genannten »Plan Kolumbien« für die Regierung in Bogotá locker machen wird. Um eventuelle Proteste wegen toter GIs zu vermeiden, will die US-Regierung bei der Abwicklung der Hilfe auf private Sicherheitsunternehmen zurückgreifen.

Ganz oben auf der Liste steht dabei das in Virginia ansässige Military Professional Resources Inc. (MPRI), das immer offener eine Schlüsselrolle in den Konzepten des Pentagon übernimmt. MPRI, das 1995 im Auftrag der kroatischen Regierung den Angriff auf die serbische Krajina mitplante, ist ein Sammelbecken hochrangiger US-Militärs. Ex-General Vernon Lewis gehört zu den Gründern des Unternehmens, der von der RAF knapp verfehlte General Frederick Kroesen war Mitglied des Führungsstabs; geleitet wird die Firma heute von Carl Vuono, dem Stabschef der US-Armee während der Panama-Invasion und des Golfkriegs, sowie von Ed Soyster, dem ehemaligen Leiter des US-Militärgeheimdienstes DIA.

Die Privatisierung der Kriegsführung ist in Kolumbien kein neues Phänomen. Seit bald 20 Jahren sind paramilitärische Verbände, private Sicherheitsunternehmen und ausländische Söldner an der Bekämpfung von Guerilla und sozialer Opposition beteiligt. Die ersten Ansätze des Paramilitarismus in den sechziger Jahren standen zwar noch unterm Vorzeichen der »Nationalen Sicherheitsdoktrin«, die die Aufstandsbekämpfung bei der Regierung zentralisierte, doch die Verbände, wie sie heute existieren, sind von der Privatwirtschaft ebenso geprägt wie vom Staat. Todesschwadronen sind in Kolumbien nicht nur Instrumente der Militärstrategen, sondern verteidigen konkrete ökonomische Interessen von Industriellen, transnationalen Konzernen und Grundbesitzern. Darüber hinaus sind sie teilweise selbst gewinnorientiert organisiert.

Die Ursprünge all dessen reichen bis ins Jahr 1982 zurück. Bei dem gemeinhin als Gründungsversammlung des kolumbianischen Paramilitarismus bezeichneten Treffen in der Garnisonsstadt Puerto Boyacá trat eine Runde zusammen, die bis heute die Interessenlage innerhalb des schmutzigen Kriegs repräsentiert. Neben dem Militärbürgermeister Oscar Echand'a waren Vertreter der Texas Petroleum Company, Mitglieder des Viehzüchterkomitees, Politiker, Armeeangehörige und Händler anwesend. Dazu gesellten sich bald auch Capos der Koka-Kartelle wie Gonzalo Rodr'guez Gacha, Schwiegersohn von Pablo Escobar, und Fabio Ochoa.

Das konkrete Ziel der von ihnen gegründeten Privattruppen war die Zerschlagung der sozialen Opposition, also jener Organisationen, die mit der Guerilla sympathisierten, die Ausbeutung von Rohstoffvorkommen behinderten und sich den Interessen der Latifundienbesitzer widersetzten, vor allem Gewerkschaften und Kleinbauernverbände. Der Drogenmafia ging es zudem um die militärische Kontrolle von Gebieten, in denen sie Koka-Laboratorien einrichten konnte.

Das Konzept war so erfolgreich, dass es bald auch in anderen Gebieten angewandt wurde. So heuerten 1986 die Bananen-Unternehmerverbände Uniban und Augura ausländische Söldner an, um auf den Exportplantagen tabula rasa mit den Gewerkschaften zu machen. Wichtigste Ausbilder der Todesschwadronen in der Region waren die Militärspezialisten um den Israeli Yair Klein, der zuvor die nicaraguanische Contra trainiert hatte und 1998 als Militärberater der »Rebellenarmee« Ruf in Sierra Leone verhaftet wurde. Nach Aussagen des wegen mehrfachen Mordes inhaftierten Paramilitärchefs Alonso de Jesus Baquero alias »Vladimir« unterrichteten die Söldner ihre kolumbianischen Schüler in »englischen und deutschen Taktiken, die darin bestehen, den Gegner mit der Wurzel auszulöschen. (...) Es war aufregend, ein Schüler von Yair Klein zu sein.«

Die Anwesenheit internationaler Sicherheitsunternehmen in Kolumbien geht seitdem mit der Wahrung wirtschaftlicher Interessen einher. Im Oktober 1998 veröffentlichte ein Recherche-Team von The Guardian und El Espectador Details der Aktivitäten des Erdölkonzerns BP, der in Ostkolumbien große Vorkommen ausbeutet. Demnach beauftragte BP das von ehemaligen SAS-Geheimdienstagenten gegründete britische Sicherheitsunternehmen Defence Systems Limited (DSL) mit dem Schutz von Förderanlagen und Pipelines. Bei der Vorbereitung des Pipeline-Baus kam es zu Kontakten zwischen dem wegen Drogenhandels gesuchten paraguayischen Sicherheitsexperten Oscar Ricardo Zayas Marini und dem Briten Roger Brown von Defence Systems Colombia, einer DSL-Tochter. Diskutiert wurden die Durchführung eines Seminars mit dem vielsagenden Titel »psychologische Operationen und Spionage« und der Einsatz von hochtechnologischem Kriegsmaterial.

Zwar wurde nicht bekannt, was DSC während des Pipeline-Baus im Detail unternahm, aber unwidersprochen ist, dass die Aktivitäten der Todesschwadronen entlang der Bauroute sprunghaft zunahmen. Allein in der Kleinstadt Segovia kam es 1997 während der Bauzeit nach Jahren relativer Ruhe zu insgesamt 140 Mordanschlägen vor allem gegen Aktivisten örtlicher Menschenrechtsgruppen. Im britischen Observer wurde zudem berichtet, dass BP Fotos und Informationen von gewerkschaftlich organisierten Arbeitern an die kolumbianischen Sicherheitsorgane weitergegeben habe. In einem Land, in dem es »gefährlicher ist, einer Gewerkschaft als der Guerilla beizutreten« - wie in Kolumbien gespottet wird -, muss man dies als kalkuliertes Todesurteil bewerten.

Das Vorgehen von BP ist kein Einzelfall. Für diesen Herbst bereitet die Ernährungsgewerkschaft Sinaltrainal ein internationales Tribunal gegen die Unternehmen Nestlé und Coca-Cola vor. Ganz oben auf der Anklageliste steht der Vorwurf der Komplizenschaft mit den Todesschwadronen. Im Fall Nestlés wies Sinaltrainal bereits 1992 darauf hin, dass es in der Zeit von Tarifverhandlungen zu einer auffälligen Häufung von Mordanschlägen gegen Gewerkschafter komme.

Bei Coca-Cola scheint die Lage noch eindeutiger zu sein. »1995 haben die Paramilitärs die Betriebsgewerkschaft von Coca-Cola im Werk Carepa zerschlagen«, sagt Alfredo L-pez vom Gewerkschaftsinstitut INS. Carepa ist eine Stadt im nordkolumbianischen Urabá, die unter vollständiger Kontrolle der Armee steht. »Die 'paras' haben die Arbeiter morgens versammelt und ihnen zwei Stunden Zeit gegeben, um aus ihrer Organisation auszutreten. Dann sind sie zum Gewerkschaftssitz gegangen, haben den Präsidenten erschossen und das Gebäude in Brand gesetzt.«

Offensichtlich dient der Paramilitarismus in Kolumbien immer mehr als Instrument zur Durchsetzung einer reibungslosen »Weltmarktintegration«. Die Berichte von Flüchtlingen, nach denen ihre Vertreibung nichts mit Kriegshandlungen, sondern mit geplanten Großprojekten zu tun habe, häufen sich. In den vergangenen beiden Jahren mussten Tausende von Embera-Katio-Ind'genas ihr Land verlassen, weil es auf dem Gelände des Staudammprojektes Urrá und in unmittelbarer Nähe der geplanten Panamericana-Trasse liegt. Bauern aus der Grenzregion zu Venezuela stehen wegen der Steinkohlevorkommen in ihren Gebieten unter Druck. Und an der kolumbianischen Westküste schließlich begann 1998 eine Offensive gegen afro-kolumbianische Dorfcommunities, weil sie sich gegen die gentechnische Erforschung des Regenwaldes wehren.

Dabei hat der Paramilitarismus einen gewaltigen ökonomischen Umverteilungsprozess in Gang gesetzt. Es wird geschätzt, dass sich Carlos Casta-o und andere wichtige Kommandanten der ultrarechten Paras seit 1990 mehr als drei Millionen Hektar fruchtbares Land angeeignet haben, ein erheblicher Teil davon durch Vertreibungen - so wird der militärisch regulierte Kapitalismus zum offenen Raub- und Terrorsystem.

Die Abwicklung der US-Militärhilfe über Unternehmen wie MPRI wird diesen Trend noch verstärken. Verbindungen von Paramilitärs zu offiziellen Militärberatern können Skandale auslösen - anders als Kontakte zu formal privaten Ausbildern, die nur im eigenen Namen handeln. Und daran, dass es zu einer stärkeren Einbindung der Sicherheitsdienste kommen wird, besteht kein Zweifel. Dem kolumbianischen Verteidigungsminister Luis Fernando Ram'rez zufolge sind US-Unternehmen bereits auf der Seite der Streitkräfte im Land aktiv. Genannt wird neben MPRI insbesondere die Firma DynCorp, die ehemalige Vietnam-Piloten Herbizideinsätze gegen Koka-Pflanzungen fliegen lässt. Weitere Verträge sollen folgen, wenn das Hilfsprogramm der Clinton-Regierung erst einmal offiziell anläuft.

Zu Interessenkonflikten zwischen Washington und den Unternehmen dürfte es dabei kaum kommen. In der Military Review von April 1998 wies der US-Offizier Thomas Milton auf traditionell gute Kontakte hin: »In den USA gibt es Unternehmen, die nicht nur zu Gunsten von US-Interessen arbeiten, sondern sogar Teil der vom Verteidigungsministerium erarbeiteten Pläne sind. Fast alle diese Unternehmen haben Ex-Militärs in ihren Reihen. Die Sicherheitsunternehmen sind zu einem integralen Bestandteil der Pläne und Operationen des Verteidigungsministeriums geworden.«