NPD-Ordnerdienst in Greifswald

Schutz der Schießbude

Zwischen Bierständen patrouillierten NPD-Ordner auf einem Greifswalder Schützenfest und bewiesen neue deutsche Bürgernähe.
Von

Die aktuelle Anti-Nazi-Kampagne scheint erste Früchte der Zivilcourage zu tragen. Als Besucher des Greifswalder Schützenfestes am 12. August lauter Glatzen herumlungern sahen, riefen sie beherzt die Polizei. Die kam und stellte fest, dass es sich um den offiziellen Ordnerdienst handelte, der zufällig mit der Greifswalder NPD identisch war.

Der Veranstalter des Festes, der Schützenverein 1990 Greif e.V., hatte die sechs bis zehn Jungs für ein paar Getränke und gegrilltes Schweinefleisch engagiert, nachdem im letzten Jahr das Vorstandsmitglied Fred Lüthen zusammengeschlagen worden war. So zumindest die Darstellung des Schützenvereins. Das 66jährige Vereinsmitglied Horst-Siegfried Gedrat erlebte die Situation im vergangenen Jahr allerdings anders: Lüthen sei von Vereinsmitgliedern verprügelt worden, »weil die nicht mit ansehen wollten, wie er heranwachsende Mädchen belästigte«. Lüthen selbst verteidigte das NPD-Engagement im Norddeutschen Rundfunk mit folgender Begründung: Man habe sich für die NPD als Ordner entschieden, um »rechte Krawalle zu verhindern«. Er würde jederzeit wieder so entscheiden. Die NPD-Männer hätten sich schließlich »korrekt benommen«.

Der stellvertretende Chef der Greifswalder Schützen, Jörg Liebenow, gab zwar zu, dass die Verpflichtung der NPD-Ordner »aus heutiger Sicht ein politischer Fehler« gewesen sei, fand jedoch: »Ihre Aufgabe haben sie erfüllt.« Das sieht auch die Vorsitzende Sigrid Schonschadowski so. Auf dem Fest hätten die Nazis »einen höflichen, bescheidenen und besonnenen Eindruck« gemacht. Von der NPD-Mitgliedschaft der Männer habe sie nichts gewusst. Sie kündigte aber eine Diskussion über personelle Konsequenzen an.

Währenddessen brüstet sich die NPD auf ihrer Homepage mit dem Ordner-Einsatz. Man habe »Bürgernähe bewiesen«, erklärte der Kreisverband, was man ihm zweifellos nicht absprechen kann. Es mag verwundern, dass ein solcher Vorfall ausgerechnet in einer Zeit möglich ist, da die Debatte um Rechtsextremismus alle Schlagzeilen bestimmt. Hier zeigt sich, dass die Aufregung, die in den Medien und in der Politik von Bund und Ländern spürbar ist, vor Ort nicht geteilt wird. Bürgermeister und Verwaltung der Stadt Greifswald sahen es nicht als notwendig an, gegen den Nazi-Orderdienst Stellung zu beziehen. Bürgermeister Joachim von der Wense (CDU) wollte weder mit der NPD noch mit dem Vorfall in Verbindung gebracht werden und lehnte jede Verantwortung ab. Dafür wiederum kritisierte ihn Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD): Es habe einen Oberbürgermeister »sehr wohl zu interessieren, wenn einer der Vereine in seiner Stadt mit der NPD zusammenarbeitet«.

Ringstorff forderte auch den Sportbund auf, sich vom Greif e.V. zu distanzieren, was Greifswalds Sportbundchef Eberhard Jeran denn auch tat: »Der Vorfall zeigt, dass wir uns mehr um die Schützenvereine kümmern müssen.« Es sei bekannt, dass die NPD versuche, in Schützenvereinen Fuß zu fassen. Doch nicht nur in der antifafreien-Zone der Schützenvereine taucht die Greifswalder NPD auf. Nach Auskunft des städtischen Bündnisses gegen Rechts komme es in der Hansestadt immer wieder zur Zusammenarbeit einzelner Organisationen, Vereine oder Firmen mit der NPD. So habe der Wirt vom »Logenhaus« einen NPD-Landesparteitag in seinem Lokal zugelassen, und die Jungen Liberalen hätten im Frühjahr eine Diskussionsveranstaltung mit dem mehrfach vorbestraften NPD-Kreisvorsitzenden Maik Spiegelmacher veranstaltet. Bei der letzten Kommunalwahl erreichte die NPD in der Hansestadt mit 1,9 Prozent ihr bestes Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Greifswalder Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt (PDS) erklärte, dass der Vorfall die Heuchelei der aktuellen Anti-Nazi-Kampagne beweise: »Während sich die demokratische Öffentlichkeit über die Brandstifter empört, haben es sich jene bereits unter ihrem Dach bequem gemacht.« Sie forderte erneut ein Ende der akzeptierenden Sozialarbeit mit rechten Jugendlichen.

Unterdessen soll im nicht weit entfernten Ahlbeck auf der Insel Usedom ein von Nazis frequentierter Jugendclub, der vorübergehend geschlossen war, mit einem nur wenig korrigierten Konzept wieder eröffnet werden. In dem städtisch geförderten Club war noch vor wenigen Wochen rechtsextreme Bildungsarbeit betrieben worden. Einer der Stammgäste ist Gunnar Doege, Hauptverdächtiger im Mordfall des Obdachlosen Norbert Plath.

In Greifswald gibt es ebenfalls zwei städtisch subventionierte rechte Jugendclubs. Als auch in Greifswald ein Obdachloser ermordet worden war und man über einen rechtsextremen Hintergrund der Tat spekulierte, sprach sich ein Vorstandsmitglied der PDS für einen Dialog mit der NPD aus. Jean-Yves Nossin erklärte, er wolle sich - als Privatperson - mit Greifswalder NPD-Funktionären treffen. Es sei »im Sinne der Demokratie, keinen Menschen auszugrenzen«. Man müsse ideologische Vorbehalte über Bord werfen und die Führungsebene der NPD von der Notwendigkeit des friedlichen Dialogs überzeugen. Damit könne Gewalt auf der Straße verringert werden.

Mit dieser Ansicht steht der PDS-Mann in seiner Partei allerdings alleine. Der Kreisvorsitzende Arnold Schoenenburg, der die Argumentation von Nossin als »blanken Unsinn« bezeichnete, konnte ihm sein Vorhaben ausreden. Im letzten Jahr hatte Nossin bereits für politische Furore gesorgt, als der aus Martinique stammende Mann in Wolgast von Nazis zusammengeschlagen worden war und sich später mit den Tätern zum Gespräch traf.

Die NPD fühlt sich durch die aktuellen Diskussionen offenbar politisch motiviert. An einem Infostand des Vereins »Für Demokratie und Toleranz« provozierten am vergangenen Donnerstag in Greifswald erneut eine Reihe NPDler. Empörung gab es erst am folgenden Tag in der Ostseezeitung. Dort kommentierte ein Redakteur enttäuscht: »Die trotz Platzverbot vorbeimarschierenden Skins wurden nur mit einer gelangweilten Trillerpfeife begrüßt. Handfester Protest? Mitnichten.«

Während Journalisten die Parole »Antifa heißt Angriff« bereits übernommen haben, versucht sich der Toleranzverein in Zivilcourage. Nach den Übergriffen auf Obdachlose in Ahlbeck, Greifswald und Wismar plant die Initiative, 5 000 Trillerpfeifen an Obdachlose zu verteilen, damit sie in Gefahrensituationen auf sich aufmerksam machen können. Da kann man nur hoffen, dass der beherzte Ostseezeitungs-Redakteur das dann hört.