D-Mark für serbische Opposition

Genschers Erbe

Der Schlachtruf ist bekannt. »Ich stehe auf zwei Grundsätzen: Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz«, hatte Bundesaußenminister Fischer schon letztes Jahr den anti-totalitären Grundkonsens der endlich zu Regierungswürden gelangten 68er auf eine bombensichere Formel gebracht. Zweifel darüber, wie die Berliner Führung ihre Lehren aus der deutschen Geschichte zu ziehen gedenke, ließen Scharping, Schröder und Fischer danach nie wieder aufkommen. Die weltweite Interventionsbereitschaft der Bundeswehr könne allein deshalb nicht in Frage gestellt werden, lautet seit dem Kosovo-Krieg die rot-grüne Militärlogik, weil kein anderes Land die Erfahrungen teile, die Deutschland bei der Befreiung durch die Anti-Hitler-Allianz gemacht habe.

»Gerade für einen Deutschen«, knüpfte Fischer vorige Woche nahtlos an die gegen Serbien gewendete Auschwitz-Rhetorik von 1999 an, sei die Hilfe beim Sturz von Diktatoren »eine Verpflichtung, die aus der Geschichte erwächst«. Mindestens 16 Millonen Mark habe deshalb allein das Auswärtige Amt der serbischen Opposition in den vergangenen Monaten zukommen lassen; insgesamt soll Rot-Grün 45 Millionen Mark zum Sturz Milosevics bereitgestellt haben. Überbracht wurden die Gelder von Vertretern so vertrauenerweckender Organisationen wie dem Bayerischen Rundfunk und dem Technischen Hilfswerk.

Zwar hatte zuvor schon die US-Regierung eingeräumt, serbische Oppositionelle seit 1998 mit 37,5 Millionen Dollar gesponsert zu haben, doch beließ es Washington bei der einfachen Mitteilung. Und das, obwohl die Counterinsurgency-Strategen in Pentagon und Weißem Haus weitaus mehr Grund haben dürften, auf ihre weltweit erfolgreichen Umsturzversuche zu verweisen. Zudem hatte die Clinton-Administration im Unterschied zur deutschen Praxis die Vergabe der Gelder immer an die Bedingung geknüpft, dass diese zwar zum Sturz Milosevics verwendet werden sollten, nicht aber zur weiteren Desintegration Jugoslawiens.

Nicht so Fischer, der das international durchaus gängige Verfahren bei der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes stets mit der Unterstützung der Separatisten in Montenegro verband, dem letzten Spaltprodukt der jugoslawischen Sezessionskriege. Ebenso übrigens wie seine Vorgänger Kinkel und Genscher: Neben dem Rekurs auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker bildete der Verweis auf die aus dem Nationalsozialismus erwachsene »internationale Verantwortung Deutschlands« seit 1990 die zweite Konstante der deutschen Politik auf dem Balkan.

Das NS-Regime diente dabei lediglich als ideologischer Selbstbedienungsladen: So wie der moralische Overkill der Berliner Regierung schon bei der Legitimierung des Nato-Krieges auf den Argwohn der westlichen Alliierten gestoßen war, so dürfte Rot-Grün auch nach der Amtsübernahme Kostunicas mit ihren schlechten historischen Bildern für Unmut in der Anti-Milosevic-Allianz sorgen.

Der heuchlerische Antifaschismus der Berliner Kerls nämlich führt im Endeffekt dazu, dass die entschiedensten Verteidiger der Souveränität Jugoslawiens bald ohne Unterstützung dastehen könnten. Schließlich sind dem neuen Präsidenten Kostunica die serbischen Tschetniks immer näher gewesen als Titos Partisanen, die für die Wiederherstellung des jugoslawischen Staatenverbundes kämpften. Deren Erben in Milosevics sozialistischer und den anderen Parteien endgültig zu delegitimieren, auch darauf zielt die verbale Volte Fischers.