Rassismus in Libyen

Afrikanische Einheit

Eigentlich wollte Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi vor allem die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen Libyens nach dem Ende des UN-Embargos ausbauen. Gleichzeitig präsentierte er aber bei seiner Reise durch mehrere arabische Staaten vergangene Woche den Bruderländern eine neue Weltsicht: Vor dem jordanischen Parlament entwickelte er mit großem Pathos seine Vision der »Vereinten Staaten von Afrika«. Die Jordanier sollten endlich Afrikaner werden und sich zusammen mit den anderen asiatisch-arabischen Völkern zu einem Bündnis gegen die Globalisierung aufraffen, so Gaddafi.

Pläne hierzu hatte der »Führer der Volksmassen« auch parat. Er entrollte eine »neue Weltkarte«, die nicht mehr zehn, sondern nur noch sieben geopolitische Einheiten vorsieht: Europa, Südostasien, Indien, Pakistan, Lateinamerika, Afrika und die USA. Diese aber werden nach Gaddafis Ansicht sowieso bald von der Landkarte verschwinden. Denn die Vereinigten Staaten seien eine rassistische Nation und zum Untergang verdammt, da sie sich von der internationalen Staatengemeinschaft isolierten.

Die rassistischen Zustände im eigenen Land stören Gaddafi da weit weniger. In den vergangenen Wochen wurden bei Übergriffen libyscher Jugendlicher mindestens 130 Gastarbeiter aus dem Tschad, Nigeria, Ghana und dem Sudan getötet. Nigerianische Parlamentarier sprechen von allein 500 ermordeten Landsleuten.

Nach Angaben der Middle East Times wurden die meisten Arbeitsmigranten in den westlich von Tripolis gelegenen Städten Zawiya und Zahra angegriffen. Ihre Geschäfte und Wohnungen seien von einem aufgebrachten Mob geplündert und niedergebrannt worden. Libysche Jugendliche werfen den Zuwanderern vor, ihnen die Arbeitsplätze wegzunehmen und in Drogengeschäfte verwickelt zu sein. Über 450 Nigerianer haben bereits fluchtartig Libyen verlassen. In den nächsten Tagen wollen weitere 10 000 nigerianische sowie 3 000 sudanesische Migranten in ihre Heimatländer zurückfliegen.

Nach den rassistischen Ausschreitungen kam es in mehreren subsaharischen Staaten zu Protestkundgebungen gegen die libysche Führung. Während sich Gaddafi zurückhielt und »dubiose feindliche Kräfte« für die Übergriffe verantwortlich machte, wurden Vertreter der libyschen Botschaft in Nigeria deutlicher. Die Angriffe auf die Gastarbeiter seien die »natürliche Folge illegaler Einwanderung in Libyen«. Künftig wolle man vermehrt illegale Arbeitsmigranten ausfindig machen und des Landes verweisen.

Die Mehrheit der geflüchteten Gastarbeiter allerdings verfügte über legale Aufenthalts- und Arbeitspapiere. Gaddafi hatte erst vor kurzem das Einwanderungsrecht liberalisiert, um Libyen seinen »afrikanischen Brüdern« zu öffnen.