Wahlen in Côte d'Ivoire

General macht Putz

Robert Guei, Juntachef der Côte d'Ivoire, möchte sich durch Wahlen legitimieren lassen und riskiert dabei den Bürgerkrieg.

Wenn am kommenden Sonntag in Côte d'Ivoire Präsidentschaftswahlen stattfinden, ist auf den Kandidatenzetteln viel Platz. Nur fünf Bewerber ließ der Oberste Gerichtshof passieren, 14 Politiker erfüllten angeblich verschiedene Auflagen nicht. General Robert Guei, der sich im Dezember des vergangenen Jahres an die Macht geputscht hatte und derzeit als Staatsoberhaupt fungiert, wird allerdings - entgegen früherer Versicherungen - zu den Wahlen antreten.

Einzig Laurent Gbagbo, Führer der Front Populaire Ivorien (FPI), könnte dem Juntachef den Sieg noch streitig machen. Unter fadenscheinigen Gründen von den Wahlen ausgeschlossen wurden hingegen die beiden Kandidaten der früheren Staatspartei Parti Démocratique de Côte d'Ivoire (PDCI). Henri Konan Bédié, der letzte zivile Präsident, der nun im französischen Exil lebt, und faktisch noch Vorsitzender der PDCI ist, rief inzwischen zum Boykott der Wahl auf. Gleichzeitig setzt aber ein Teil der starken PDCI-Fraktion im Parlament offenbar auf Guei.

Auch Alassane Ouattara wird nicht an den Wahlen teilnehmen können. Der ehemalige IWF-Vizepräsident scheiterte an einer kürzlich in der neuen Verfassung verankerten Bestimmung, nach der Kandidaten ivorische Eltern nachweisen müssen und nie eine andere Staatsbürgerschaft als die der Côte d'Ivoire besessen haben dürfen. Damit vollendete die Junta das Vorhaben Bédiés, der Ouattara mit dieser Strategie von einer Kandidatur abhalten wollte. Ouattara, Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Premier des Landes, ist der Lieblingskandidat des Westens. Im Falle seiner Wahl, so berichtet die BBC, habe er versprochen, »eine Säuberung der Wirtschaft nach IWF-Art« durchzuführen, »die eine gründliche Anti-Korruptions-Kampagne und die Überprüfung der ineffizienten Bürokratie einschließen« werde. Ein Programm, das bei Teilen der verarmten Bevölkerung populär ist, die Nutznießer des staatlichen Patronagenetzes allerdings panisch reagieren lässt. So verwundert die breite Zustimmung der politischen Klasse zum Wahlausschluss Ouattaras nicht.

Der diplomatische Protest aus Washington und Paris ließ nicht lange auf sich warten. Die von Guei angekündigte Rückkehr zur zivilen Herrschaft hatte man sich dort wohl anders vorgestellt. Dabei hatte doch alles hoffnungsvoll angefangen. Bédié, seit 1993 an der Macht, galt dem Westen erst in den letzten Jahren als untragbar, so dass man auf seine Absetzung erleichtert reagierte. Zudem präsentierte sich der Putschist Guei als Saubermann: »Wenn wir sicher sind, dass das Haus gereinigt ist und die Politiker tanzen können ohne auszurutschen, werden wir nach der Abhaltung von transparenten Wahlen zurücktreten.«

Nur wenige Monate nach dem angekündigten Hausputz scheint nun ein Bürgerkrieg in Côte d'Ivoire nicht mehr ausgeschlossen. Die Spannungen in dem westafrikanischen Land haben seit einem angeblichen Gegenputschversuch und der Inhaftierung zahlreicher Militärs im September weiter zugenommen. Zwei hochrangige Generäle, Lansana Palenfo und Abdoulaye Coulibaly, flohen aus Furcht vor ihrer Verhaftung in die nigerianische Botschaft in Abidjan. Sie wurden, so wird vermutet, wegen ihrer Ouattara-freundlichen Haltung abserviert - die Fragmentierung der Junta schreitet voran.

Dies trägt auch zur wirtschaftlichen Talfahrt des Landes bei. Das Agrarland, in dem 80 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig sind, befindet sich seit dem Einbruch der Weltmarktpreise für Kakao und Kaffee - die bedeutendsten cash crops - Anfang der achtziger Jahre in einer tiefen ökonomischen Krise. Die Einnahmen der Kakaoproduzenten sanken in der letzten Saison trotz erhöhter Produktion um 278 Millionen US-Dollar. Kredite für Industrie- und Prestigeobjekte summierten sich zu einer erheblichen Auslandsverschuldung - inzwischen gilt der Staat als pleite. An neue Darlehen ist nicht zu denken, bereits im vorigen Jahr stellte die EU ihre Zahlungen ein, nachdem 30 Millionen US-Dollar im Gesundheitsministerium verschwunden waren. Nach der Entscheidung über die Kandidatenliste verweigern USA und EU zudem die Finanzierung der Wahl.

Überlagert wird die politische und ökonomische Krise von der Diskussion, wer ein »echter Ivorianer« sei. Bei dieser Mobilisierung der ethnischen und nationalen Identitäten möchten weder die PDCI noch der als links bezeichnete FPI-Führer Gbagbo zurückstehen. Selbst Ouattara, auf dessen Wahlausschluss die entsprechenden Passagen der neuen Verfassung zielten, befürwortete diese mit der Begründung, er sei schließlich ein waschechter Ivorianer.

Die Arbeitsmigranten vor allem aus den Nachbarländern Burkina Faso, Mali und Guinea, die während des wirtschaftlichen Aufschwungs ins Land geholt wurden, sind die ersten Opfer dieser Politik. Seit Beginn der wirtschaftlichen Krise Anfang der achtziger Jahre geraten die Einwanderer, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung 40 Prozent betragen soll, zunehmend unter Druck. Besonders aus dem Südwesten des Landes werden immer wieder xenophobe Ausschreitungen gemeldet. Bei einem Anschlag auf einen Reisebus kamen vor zwei Wochen in Abidjan vier Menschen zu Tode. Fünf Burkiner, so das Internationale Rote Kreuz, seien nahe der Stadt Grand Béréby umgebracht worden. Mehr als tausend »Opfer ethnischer Gewalt« will die Hilfsorganisation seit August behandelt haben.

Der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) und der Regionalvereinigung Ecowas waren all diese Anzeichen einer zunehmenden Desintegration in der ohnehin instabilen Region ein Anlass für diplomatische Interventionen. Doch die beeindruckten die Führung in Abidjan nicht, und eine Demonstration gegen die »ausländische Einmischung« stärkte ihr den Rücken. Lieber sucht sich die Generalität eigene Bündnispartner oder frischt alte Verbindungen auf: Die erste Auslandsreise führte Guei ins benachbarte Liberia. Der 1997 zum Präsidenten Liberias gewählte Warlord Charles Taylor kann sich seit zehn Jahren der Unterstützung aus Côte d'Ivoire erfreuen.

Dass die Machtergreifung der Militärs Ende des vergangenen Jahres tatsächlich eine spontane Reaktion auf nicht gezahlte Gehälter war, kann bezweifelt werden. Der New African wies bereits im Februar auf einen Besuch Gueis in Paris unmittelbar vor dem Putsch hin. Der gestürzte Bédié sei nur unter der Bedingung in Frankreich aufgenommen worden, sich nicht politisch zu betätigen. Guei habe, so die in London erscheinende Zeitschrift, nach der Machtergreifung wiederholt gesagt, dass »the story behind the coup« noch geschrieben werden müsse.