Neue Anschläge der Eta

Spiel ohne Grenzen

Während die spanische Regierung die Anti-Terror-Gesetze verschärft, verübt die Eta neue Anschläge.

Als der Staatsanwalt Luis Portero am Montag vergangener Woche seine Wohnung in Grenada verließ, warteten die Attentäter schon. Zwei Schüsse in den Kopf töteten den Vorsitzenden des andalusischen Obersten Gerichtshofs. Portero war das 15. Todesopfer der Eta, seitdem der Waffenstillstand im vergangenen Dezember von der Separatistenorganisation aufgekündigt wurde. Am Tag nach dem Anschlag gingen 200 000 Demonstranten gegen die Eta auf die Straße.

Nach diesem Anschlag droht nun eine weitere Eskalation. Erst Mitte September hatte Juan José Ibarretxe, Ministerpräsident der autonomen baskischen Region und gemäßigter Nationalist, ein Angebot an alle Parteien gerichtet, um Gespräche über einen Waffenstillstand einzuleiten. Ein solcher Dialog wird jetzt nicht mehr zustande kommen.

Begonnen hatte die neuerliche Auseinandersetzung mit der Verhaftung von Mitgliedern der baskischen Unabhängigkeitsbewegung (MLNV). Der Untersuchungsrichter Baltasar Garzón ließ zwischen Mitte September und Anfang Oktober 27 Personen wegen angeblicher Eta-Mitgliedschaft verhaften. Nach Meinung des spanischen Innenministeriums habe die Eta während der Waffenruhe im letzten Jahr eine neue Struktur aufgebaut. Mit der Aktion sei nun »ein Teil der politischen Köpfe im internen Kreis der Eta ausgeschaltet worden«, berichtete der spanische Innenminister Jaime Mayor Oreja. Vor allem die legale Organisation Ekin, die seit 1999 an kommunalpolitischen Themen arbeitet, ist von den Verhaftungen betroffen.

Bei den Festgenommenen handelt es sich allerdings vor allem um Aktivisten, die der Eta-Gewalt kritisch gegenüberstehen, wie etwa Iñaki Sanchez von der EA, der gemäßigten Abspaltung der Regierungspartei PNV (Baskisch Nationalistische Partei).

Zu den Verhafteten zählt auch der Journalist Sabino Ormazábal. Er arbeitete als Redakteur der linken Tageszeitung Egin, die vor zwei Jahren verboten wurde. Anschließend wechselte er zum Nachfolgeprojekt Gara. »Er ist ein Anti-Atom-Aktivist und Pazifist. Sein Bruder wurde auf einer Polizeiwache ermordet. Trotzdem sprach er sich immer für eine politische Lösung des Konflikts aus«, sagte Ladislao Martinez von der Umweltorganisation Ecologistas en Accion.

Gemeinsam mit dem ebenfalls verhafteten Patxi Joseba Azparren, einem Vorstandsmitglied der Eta-feindlichen Partei EA, veröffentlichte Ormazábal Ende September das Dokument »Zaramaga«. Darin fordern mehr als 800 Vertreter aus sozialen Bewegungen im Baskenland die Eta zu einem neuen Waffenstillstand auf.

Auf die Verhaftungen antwortete - wie nicht anders zu erwarten - die Eta mit Gewalt. Nur ein Tag nach den Festnahmen wurde in Donostia der ehemalige sozialistische Justizminister José Ramon Recalde durch einen Kopfschuss lebensgefährlich verletzt. Eine Woche später tötete ein Eta-Kommando in der Nähe von Barcelona den PP-Abgeordneten José Luis Ruiz Casado.

Die neue Anschlagsserie beendete den Dialog der baskischen Parlamentsparteien über ein mögliches Ende des Konflikts. Als José-Maria Aznar nach den Eta-Aktionen persönlich zur Teilnahme an einer Demonstration der Bürgerinitiative »Basta Ya« (Es reicht) in San Sebastian aufrief, verweigerte die baskische Nationalpartei der Versammlung ihre Unterstützung. Das Motto der Demonstranten - »Für das Autonomiestatut und die Verfassung« - sei eine »Falle« und Teil einer Strategie, »den baskischen Nationalismus zu beerdigen«, sagte der PNV-Vorsitzender Xabier Arzalluz.

Nun schien auch die sozialdemokratische PSOE mit ihrer Geduld am Ende. Ein gemeinsamer Misstrauensantrag von PP und PSOE Anfang Oktober gegen Ibarretxe hatte allerdings keinen Erfolg. Trotz des Ausstiegs der Linksnationalisten (EH) aus der baskischen Minderheitsregierung verfügt Ibarretxe nach wie vor über genügend Rückhalt im Parlament

Nach dem gescheiterten Antrag versucht die PP, den Druck auf die gemäßigten Nationalisten mit anderen Mitteln zu erhöhen. Anfang Oktober setzte die PP auf dem Kongress der christdemokratischen Internationale (IDC) den Ausschluss der PNV durch. Vergangene Woche verglich Aznar in einer Rede die Situation im Baskenland mit der in Jugoslavien unter Milosevic. Kurz darauf beschloss die spanische Regierung eine deutlich Erhöhung des Etats für die Guardia Civil und den Geheimdienst (Cesid).

Zudem will die spanische Regierung härter gegen Eta-Sympathisanten vorgehen. Die neuen »antiterroristischen Maßnahmen« sehen unter anderem bis zu zehn Jahren Gefängnis für Minderjährige vor, um die Straßengewalt im Baskenland zu bekämpfen. Nach dem Willen von Justizminister Angel Acebes (PP) sollen die Gesetzesvorschläge schon im neuen Jugendstrafrecht, das im Januar in Kraft tritt, berücksichtigt werden. Doch nicht nur Unicef hat Bedenken geäußert und das Ministerium gebeten, die Kinderrechts-Charta zu achten. Selbst der spanische Generalstaatsanwalt bezeichnete die Maßnahmen als ein »überzogenes juristisches Mittel«. In spanischen Zeitungen wurde zudem kritisiert, dass die Maßnahmen nur von den ausbleibenden Fahndungserfolgen ablenken sollen.

Künftige Eta-Anschläge werden damit jedenfalls kaum zu verhindern sein. So war der Mord an Portero vermutlich auch als Antwort auf die geplanten Gesetzesverschärfungen gedacht.