Zarko Korac, Sozialdemokratische Union, Jugoslawien

»Man kann nicht noch mehr Arbeiter feuern«

Während im serbischen Parlament die Sozialistische Partei (SPS) von Ex-Präsident Slobodan Milosevic weiterhin die meisten Abgeordneten stellt, hat die Mehrheit im jugoslawischen Bundesparlament bei den Wahlen Ende September gewechselt - zugunsten der langjährigen Opposition. Zarko Korac vertritt dort die 1996 von ihm gegründete Sozialdemokratische Union (SDU) und ist zugleich Vizepräsident des Parlaments. Die SDU, deren Vorsitzender Korac ist, zählte in den neunziger Jahren zu den Gruppen innerhalb der serbischen Opposition, die sich gegen die Sezessionskriege wandten. Vor den Präsidentschaftswahlen schloss sie sich mit 17 weiteren Parteien zur Demokratischen Serbischen Opposition (DOS) zusammen.

Wer hat in Serbien die Macht?

Wir sind in einer einmaligen Lage. Die Leute auf der Straße unterstützen uns. Das heißt, wir haben politische Macht. Aber die staatlichen Institutionen müssen wir mit den Mitgliedern der Sozialistischen Partei teilen. Das wird bis zu den Wahlen in Serbien am 23. Dezember auch so bleiben. Erst nach diesen Wahlen wird es ein Parlament und eine Regierung in Serbien geben, die die Stimmung auf der Straße wiedergeben können.

Das Bündnis DOS ist ein recht heterogener Zusammenschluss verschiedener Parteien. Es sind bereits deutliche Differenzen aufgetreten, etwa im Umgang mit führenden Militärs. Was sind die wichtigsten Vorhaben, über die ein Konsens besteht?

Einen Minimalkonsens gibt es über die Notwendigkeit, den Energiebereich zu stabilisieren. In verschiedenen Regionen ist es schon zu Stromausfällen gekommen, die teils über zwölf Stunden dauerten. Der zweite Punkt, über den Einigkeit herrscht, ist, dass die Medienlandschaft stabilisiert werden muss. Der dritte Punkt schließlich ist die Kontrolle über die staatlichen Betriebe. In vielen dieser Unternehmen wurde das Management ausschließlich wegen seiner politischen Loyalität zum alten Regime ernannt. Jetzt gibt es Komitees, die von den Beschäftigten aufgebaut wurden, um diese Betriebsleitungen zu ersetzen.

Auch wenn man das nicht wirklich unterstützen kann, habe ich in den meisten Fällen viel Verständnis dafür. Schließlich waren es die Manager, die die Betriebe zerstört haben. Die Komitees veröffentlichen nun Dokumente, die fast phantastisch anmuten: Da ist zum Beispiel ein Betrieb, in dem die Arbeiter etwa 20 Mark im Monat verdienten, das Gehalt der Manager hingegen bei 20 000 Mark lag. Man kann nicht erwarten, dass die Leute sich das einfach anschauen und ruhig bleiben. Wir wollen in diesem Bereich eine Stabilisierung erreichen, aber dafür brauchen wir eine neue Regierung.

Eine Priorität der neuen jugoslawischen Regierung scheint zu sein, möglichst schnell Finanzspritzen internationaler Geldgeber wie der EU oder der Weltbank zu bekommen.

Es geht momentan hauptsächlich um humanitäre Hilfe, damit wir den Winter überbrücken können. Wenn wir im Frühjahr eine stabile Regierung haben, müssen wir weitergehende Programme entwickeln. Die Ökonomen in der neuen Regierung wollen Investitionen fördern. Aber ausländische Unternehmen investieren nur, wenn die Lage wirtschaftlich und rechtlich stabil ist. Da gibt es noch viel zu tun im nächsten Jahr.

Die Erfahrungen in den Nachbarstaaten Jugoslawiens zeigen, dass Marktöffnung und Privatisierungen, wie sie nun angestrebt werden, zu heftigen sozialen Problemen führen. Auch die internationalen Kreditgeber haben wirtschaftliche Interessen, die nicht den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen. Sie behaupten, aus diesen Erfahrungen gelernt zu haben. In welcher Weise?

Es geht um eine strategische Entscheidung, weshalb auch öffentlich über dieses Thema debattiert werden muss. Bereits jetzt liegt die Arbeitslosigkeit de facto über 50 Prozent, so dass ich es nicht für akzeptabel halte, mit der Privatisierung von Staatsbetrieben zu beginnen. Das würde nur dazu führen, dass noch mehr Arbeiter ihre Jobs verlieren. Politisch würden wir das nicht überleben, selbst wenn einige Leute das machen wollen. Man kann nicht einfach noch mehr Leute feuern, sondern muss sich überlegen, wie die ökonomischen Reformen so durchgeführt werden, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Das scheint ähnlich aussichtslos zu sein wie die Lösung des Kosovo-Problems. Während die Kosovo-Albaner auf eine schnelle Unabhängigkeit drängen, scheint die Frage für serbische Politiker keine Priorität zu haben.

Ich denke, es war ziemlich schlecht, dass die Kosovo-Serben nicht an diesen Wahlen teilgenommen haben. Wir müssen eine andere Atmosphäre aufbauen. Es gibt viele Serben im Kosovo, die Angst haben, ihre Häuser zu verlassen. Deshalb konnten sie nicht abstimmen. Es gab allerdings auch politischen Druck aus Serbien, nicht zur Wahl zu gehen.

Um einen Dialog über die Zukunft der Provinz zu führen, müssen wir endlich wissen, wer für die Kosovo-Albaner spricht. Deshalb müssen sie bei den serbischen Parlamentswahlen im Dezember auch teilnehmen.

Die eine Sache sind die Wahlen, eine andere ist die Unabhängigkeit. Ist das Kosovo als Teil Jugoslawiens zu halten?

Das Kosovo-Problem berührt prinzipielle und pragmatische Fragen. Was die Prinzipien anbelangt, so stehen sich die Optionen Unabhängigkeit und Erhalt des jugoslawischen Staates unversöhnlich gegenüber. Doch die Tatsache, dass in einer Region 90 Prozent der Bevölkerung die Unabhängigkeit wollen, stellt eine politische Realität dar, mit der man umgehen muss. Und man kann sicherlich keine Gewalt ausüben, um das Problem zu lösen. Das wurde bereits versucht und hat nur dazu geführt, dass die Leute leiden und bestimmt nicht weniger Albaner die Unabhängigkeit wollen, sondern mehr.

Andererseits gibt es das Problem, dass die Unabhängigkeit des Kosovo einen Präzedenzfall bilden würde für eine ethnische Gruppe, die einen Staat bildet. Das würde die Situation in Bosnien und Mazedonien berühren. Es ist also eine schwierige Angelegenheit. Ich bin dafür, dass serbische und albanische Politiker beginnen, einen Dialog zu führen. Wir müssen fähig sein, miteinander zu reden, auch wenn wir nicht in allem übereinstimmen.

Während andere DOS-Politiker sich als liberal bezeichnen, definieren sie Ihre Position als »demokratisch links«. Was soll das in Jugoslawien heute heißen?

Nicht viel. Ich habe die letzten zehn Jahre für Menschenrechte gekämpft, und ich werde auch die nächsten zehn Jahre dafür kämpfen, dass die Leute verstehen, was Solidarität und soziale Gerechtigkeit heißen. Ich glaube an viele Dinge, von denen meine Freunde in Serbien bald verstehen werden, welche Bedeutung sie haben. Wenn ein schneller Privatisierungsprozess beginnen sollte, werden die Leute fordern, dass sie ihre Jobs behalten dürfen. Wie Sie wissen, nehmen die Gesetze des Profits nicht unbedingt Rücksicht auf die Menschen. Sobald das mehr Menschen hier klar wird, werden sie nach einer politischen Unterstützung für ihre Kämpfe suchen. Diesmal für ihre Rechte als Arbeitnehmer. »Demokratisch links« zu sein heißt für mich auch internationalistisch zu denken, und nicht Chauvinismus und Xenophobie zu fördern. Das sind jetzt die zwei wichtigsten Punkte auf dem Balkan: Antinationalismus und die Kämpfe im Bereich der Arbeitsbeziehungen.