Piraterie in internationalen Gewässern

Mit Uzi und Enterhaken

Die Seeräuberei ist nicht ausgestorben. Heute machen Piraten mit Schnellbooten und Maschinenpistolen die internationalen Gewässer unsicher.

Störtebeker ist nicht ohne Nachfolger. Am 9. November etwa legten zwei Speedboats mit fünfzehn schwer bewaffneten Piraten an einem Containerschiff in der Straße von Malacca an. Die Besatzung wurde überrascht, und mit Bargeld, Dokumenten und Schiffsausrüstung zogen die Piraten wenig später wieder ab. Der Vorfall, den das Piracy Reporting Center (PRC) in Kuala Lumpur/Malaysia vermeldet, ist kein Einzelfall, und die Besatzung des Containerschiffs ist noch glimpflich davongekommen. 90 Piratenangriffe hat das PRC zwischen dem 1. Januar und dem 30. September in der Straße von Malacca registriert, und einige sind für die jeweilige Mannschaft weitaus unangenehmer ausgegangen.

In dem 1992 ins Leben gerufenen Zentrum laufen alle Informationen über Angriffe auf Schiffe und Boote zusammen. Spektakuläre Entführungsfälle sind bisher noch die Ausnahme. Verbreiteter sind hingegen Raubüberfälle, bei denen es die Piraten auf Bargeld und Ausrüstung abgesehen haben. Doch auch die Zahl der gekaperten Schiffe steigt von Jahr zu Jahr. Organisierte Banden entern Frachter wie Containerschiffe, setzen die Crew in Rettungsbooten aus und lassen die Schiffe in abgelegenen Buchten verschwinden. Dort, aber auch auf hoher See, erhalten sie einen neuen Namen, gefälschte Papiere, um als »Phantom-Schiffe« wieder auf Fahrt zu gehen.

Auch über Fälle, in denen die Identität eines Schiffes mehrmals gewechselt wurde, hat das Piracy Reporting Center bereits berichtet. Dem PRC liegen viele Hinweise vor, dass Ladungen und teilweise auch die Schiffe im Auftrag gekapert werden. Erste Fälle, in denen Honorare von 300 000 Dollar für ein Schiff oder dessen Ladung gezahlt wurden, sind bekannt geworden. Einiges deutet dem PRC zufolge auch darauf hin, dass die Piraterie sich zu einem Geschäftszweig der organisierten Wirtschaftskriminalität entwickelt.

Piratenangriffe werden vom PRC über Satellit an die Reedereien und Besatzungen anderer Schiffe gemeldet. Beschreibungen werden im Entführungsfall an die Frachter in der betroffenen Region weitergegeben, und einmal pro Woche stellt das PRC einen Bericht über derartige Vorfälle sowie Suchanzeigen über vermisste Schiffe ins Internet. Belohnungen von 100 000 US-Dollar und mehr sind dabei keine Seltenheit.

Neben der Straße von Malacca sind der Golf von Bengalen und die Gewässer rund um Indonesien besonders unsicher. In der Straße von Malacca wurde auch die »Alondra Rainbow« Ende Oktober letzten Jahres gekapert - ein Fall, der verschiedene Aspekte des modernen Piratenhandwerks miteinander verbunden hat. Schnellboote kamen längsseits, Wurfhaken prasselten auf Reling und Deck, zehn mit Gewehren und Macheten bewaffnete Piraten kletterten an Bord und nahmen den verdutzten japanischen Kapitän und seine Mannschaft gefangen. Sie wurden auf einem Floß ausgesetzt und erst elf Tage später vom einem thailändischen Trawler gerettet, so Noel Choong vom PRC in einem Bericht. Die »Alondra Rainbow« tauchte wenig später als »Mega Rama« mit belizischer Flagge wieder auf. Doch in diesem Fall wurde die indische Küstenwache auf das gestohlene Schiff aufmerksam. Nach einer zwölftägigen Jagd wurde der Frachter westlich von Goa von drei Schiffen der Küstenwache aufgebracht und die Piraten wurden überwältigt. Von der Ladung, 7 000 Aluminiumbarren, fehlte jede Spur.

Das Vorgehen der Inder, die am 15. Januar dieses Jahres die Konvention von Rom zum Schutz ungesetzlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt ratifiziert haben, ist in den Augen des PRC vorbildlich. Folgten die Nachbarn diesem Beispiel, so wäre ein erster Schritt getan, um die Piraterie in jenen Breitengraden zu beenden.

Doch bisher sind es nur China, Australien, Indien und Japan, die die Konvention unterzeichnet haben. Japan, als wichtigste regionale Handelsmacht, drängt seine Nachbarn, die Anstrengungen zur Sicherung der Schifffahrtsrouten zu verstärken und lud zu einer Koordinations-Konferenz im April nach Tokio. Doch einig wurde man sich dort nicht. Patrouillen der japanischen Marine oder der Küstenwache in der Region wurden von vielen Anrainern abgelehnt. Dies liegt nicht allein an Vorbehalten gegenüber den Japanern und dem Pochen auf die Souveränität über die jeweiligen Hoheitsgewässer. Manche Indizien deuten darauf hin, dass Marineangehörige einiger Nationen in das einträgliche Geschäft involviert sind. Andererseits fehlt es Staaten wie Birma oder Kambodscha an einer effektiven Küstenwache, und Alternativen, wie die elektronische Ortung der Schiffe mittels Satellit, werden bisher kaum genutzt.

Das soll sich nun ändern. Das PRC wirbt für die Installation einer kleinen Black Box auf jedem Handelsschiff, die Positionssignale via Satellit an die Reederei senden soll. So wären Schiffe problemlos zu orten, wirbt ein Hamburger Hersteller für seine piratenfeindliche Guarding Box.

Derartige Systeme wären eine Alternative zum aufwendigen Einsatz der Küstenwache. Hamburger Reeder, die auch auf das Kaperrisiko an der afrikanischen Küste - vor allem vor Nigeria, Sudan und Somalia - und an der Ostküste Lateinamerikas verweisen, haben schon Interesse an dem System gezeigt.

Mit dem Einsatz von Überwachungssystemen allein ist es für Noel Choong vom PRC allerdings nicht getan. Piraten müssten ausgeliefert und zur Rechenschaft gezogen werden. Das wäre jedoch erst nach einer Harmonisierung der Rechtsprechung der betroffenen Staaten möglich, und davon sind sie weit entfernt.