Dino Frisullo über Einwanderungspolitik in Italien

»Eine Politik der niedrigsten Instinkte«

Endlich am Ziel! Der neue italienische Premierminister Silvio Berlusconi hat seine Regierung unter Beteiligung der postfaschistischen Alleanza Nazionale und der rassistischen Lega Nord von Umberto Bossi gebildet. Deren zweitwichtigster Mann, Roberto Maroni, leitet nun das Ministerium für Arbeit, Soziales und Einwanderung. Dino Frisullo ist Mitarbeiter der Immigrantenorganisation Senza Confine (Ohne Grenze).

Was bedeutet die Regierungsbeteiligung der Lega Nord für die in Italien lebenden Immigranten?

Die Politik der Lega Nord basiert auf Rassismus und zielt auf eine ethnische Trennung. Sie hat Bürgermeister hervorgebacht, die Gefängnisse für Immigranten fordern und bestimmte Stadtteile zu No-Go-Areas für Einwanderer erklären. Gleichzeitig hat die Lega ein utilitaristisches Konzept, denn gerade Norditalien ist auf die Arbeitskraft der Immigranten angewiesen. Das ist ja nicht neu. Auch die Gastarbeiter in den sechziger und siebziger Jahren wurden geholt, um zu arbeiten, und anschließend sollten sie wieder verschwinden.

Maroni ist keineswegs einer der Dümmsten in der Lega. Während seiner Zeit als Innenminister in der ersten Berlusconi-Regierung war er beispielsweise bereit, mit antirassistischen Gruppen über den Status der illegalen Immigranten aus dem so genannten Ghetto von Villa Literno zu diskutieren. Der Ort in der Nähe von Caserta wies eine hohe Zahl von klandestinen Immigranten auf und war Anfang der neunziger Jahre national bekannt geworden. Aber Maroni hat auch nie gezögert, die rassistischen Bürgermeister der Lega Nord gegen alle Vorwürfe zu verteidigen.

Welche Konsequenzen können daraus folgen, dass Maroni auch für die Arbeitsmarktpolitik zuständig ist?

Bisher gibt es in Italien nur wenig Konkurrenz zwischen Italienern und Nicht-Italienern auf dem Arbeitsmarkt. Wenn es sie gibt, beschränkt sie sich auf den Bausektor und den Tourismus. Aber ein Politiker von der Lega Nord, der für die Arbeitspolitik zuständig ist, kann solche Ängste natürlich schüren. Maroni wird versuchen, die einheitlichen Tarife und Arbeitsrechte, die 30 Jahre lang als unantastbar galten, einzuschränken. Die Arbeiterkämpfe der siebziger Jahre hatten die Einkommensdifferenz zwischen Nord- und Süditalien, die auch gesetzlich legitimiert war, überwunden. Maroni zielt zwar nicht auf ein neues Nord-Süd-Gefälle, aber auf unterschiedliche Gehälter. Er könnte die Arbeitsverträge mit Immigranten von den nationalen Tarifverträgen ausnehmen.

Eine völlige Abschottungspolitik ist von der Regierung Berlusconis eher nicht zu erwarten?

Italien ist einer der letzten Staaten in Europa, die sich von einem Aus- zu einem Einwanderungsland entwickelt haben. Es gibt inzwischen einen enormen Bedarf an Arbeitskraft. Italien hat die niedrigste Geburtenrate der Welt; ohne Einwanderung würde die Bevölkerungszahl abnehmen. Die Banca d'Italia schätzt die Zahl der Arbeitsimmigranten auf jährlich 200 000. Und die italienische Wirtschaft hat einen zunehmenden Bedarf und damit auch großes Interesse an der prekären, also illegalen Immigration. Auf diese Weise bleiben die Arbeiter ohne Rechte in miserablen Arbeitsverhältnissen.

Als Abgeordneter der Opposition warnte Maroni noch vor der »Flut der Immigranten, die das Verbrechen ins Land bringen«.

Eine solche Rhetorik ist zwar ein Leitmotiv der Rechten, aber sie ist nicht nur dort zu finden. Auch die Linke verbindet inzwischen Einwanderung mit der Frage der öffentlichen Sicherheit. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat der neue römische Bürgermeister Walter Veltroni von der ehemaligen sozialde-mokratischen Regierungspartei PDS einen Sicherheitsreferenten eingesetzt. Ein entsprechendes Amt für Immigranten gibt es nicht, lediglich einen Beauftragten »für Probleme der Multiethnizität«. Auch im Wahlkampf der Mitte-Links-Koalition auf nationaler Ebene war Sicherheit ein wichtiges Thema. Einwanderung wurde dabei immer als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit dargestellt.

Doch das größte Problem ist nicht Maroni, sondern die Lega Nord, die er im Rücken hat. Ich befürchte, dass ein enormer Druck hin zu einer rassistischen Politik von dieser Bewegung ausgeht. Nicht nur von der Basis, sondern auch von den mittleren Ebenen, in der junge Politiker Karriere machen wollen, indem sie die niedrigsten Instinkte ihrer Basis bedienen. Das gleiche gilt übrigens auch für die neofaschistische Alleanza Nazionale, die ebenfalls an der Regierung beteiligt ist. Dazu kommt der Druck der Bürokratie und der Polizei, vor allem von der Sondereinheit für Einwanderung, die nur auf eine rechte Regierung gewartet haben.

Wie wird sich die Rechtslage im Vergleich zu den Zeiten der Mitte-Links-Regierung verändern?

Zu den Versprechen der alten Regierung gehörte das Wahlrecht auf kommunaler Ebene für regulär in Italien lebende Ausländer. Von der neuen Regierung können wir eine solche Gesetzesänderung nicht erwarten. Schon die Mitte-Links-Regierung hatte nicht den Mut, dieses Recht durchzusetzen. Die Koalition hielt es für besser, der rassistischen Opposition entgegenzukommen, um dadurch rassistische Tendenzen zu moderieren. Doch xenophobe Wähler entscheiden sich lieber für das Orginal als für Parteien, die die Politik der Rechten kopieren. Zudem versprach die Regierung, ein Asylgesetz zu erlassen. Immer noch ist Italien das einzige Land in Europa ohne ein Asylrecht. Keines dieser Vorhaben wurde realisiert, mit der Begründung, der rechten Opposition keine Vorlage bieten zu wollen.

Viele Organisationen, die mit öffentlichen Geldern unterstützt werden, befürchten, dass ihnen jetzt die Unterstützung gestrichen wird.

Die neue Regierung wird in dieser Hinsicht eher dem Vorbild der italienischen Christdemokraten folgen, deren Klientelismus weite Teile der Gesellschaft an den Staat gebunden hat. Die Gelder werden also weiter fließen. Doch Senza Confine hat nie einen Pfennig vom Staat erhalten, die Gefahr ist zu groß, dass man sich von einer rassistischen Politik instrumentalisieren lässt. Etwa wie die Caritas in Trapani, Sizilien, die das dortige Auffanglager unterhält, das tatsächlich einem Gefängnis gleicht.

Zugleich werden Vereinigungen wie Senza Confine, die für eine Anerkennung der Rechte der Immigranten kämpfen, einer verstärkten Repression ausgesetzt sein. So wurde vor zwei Wochen ein Verfahren gegen mich und den ehemaligen Europa-Abgeordneten und Vorsitzenden von Senza Confine, Eugenio Melandri, neu aufgerollt. Der Kläger ist Maurizio Gasparri von der Alleanza Nazionale, der neue Minister für Telekommunikation, ein ehemaliger Schläger des faschistischen MSI.

Was bedeutet die rassistische Politik für das künftige Zusammenleben?

In den Städten mit einer hohen Zahl von Immigranten haben sich mittlerweile regelrechte Ghettos gebildet. Das gilt nicht nur für bestimmte Stadtteile, auch öffentliche Parks oder Bahnhöfe werden heute mehrheitlich von Immigranten bevölkert. Die Italiener ziehen sich hingegen in den privaten Raum zurück. Der Stadtteil Esquilino in Rom ist ein gutes Beispiel. Vor 15 bis 20 Jahren schien Esquilino dem Verfall preisgegeben. Wer konnte, zog woanders hin. Dann kamen die Immigranten und eröffneten kleine Geschäfte, der Stadtteil erwachte zu neuem Leben. Die angestammten Bewohner verdienten viel Geld mit völlig überhöhten Mieten, die sie von den Immigranten verlangten. Nachdem das Viertel wieder interessant wurde, wollten die Eigentümer die Immigranten wieder aus den Wohnungen werfen.

So begannen in Esqilino die Kampagnen der Rechten gegen die Ausländer, die als eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit denunziert wurden. In Wirklichkeit war Esquilino, bevor die Immigranten kamen, viel unsicherer. In der italienischen Linke denken viele: Gut, dass die Rechten gewonnen haben. Wir wissen jetzt, woran wir sind und wogegen wir kämpfen. Wer so denkt, hat einen vollen Bauch und beachtet nicht, auf wessen Kosten die Politik der Rechten geht. Die Rechnung zahlen die Schwächsten, die Immigranten.