Militärherrschaft in Pakistan

Kritik der Waffen

General Pervez Musharraf gibt sich redliche Mühe, seine Autorität zu beweisen. Vergangene Woche meldete die Nachrichtenagentur paknews, im Verlauf der staatlichen Entwaffnungskampagne seien in nur zehn Tagen 14 122 illegale Waffen beschlagnahmt und 3 575 Personen festgenommen worden. Neben Pistolen und Kalaschnikows fanden Musharrafs Fahnder auch diverse Geschütze und sogar einige Panzerwagen.

Die staatliche Erfolgsstatistik gibt einen kleinen Einblick in die Realität eines Landes, dessen Oligarchie es in mehr als 50 Jahren seit der Unabhängigkeit verstanden hat, die gesellschaftliche Modernisierung zu blockieren. Von der Zentralregierung nur oberflächlich kontrolliert, haben sich regionale und politische Machtzentren etabliert. Die Landbevölkerung wird in weiten Teilen Pakistans noch immer von halbfeudalen Großgrundbesitzern beherrscht, in den Städten dominiert eine Bourgeoisie, deren Reichtum nicht zuletzt auf Kinderarbeit beruht.

Die großen zivilen Parteien vertreten verschiedene Fraktionen der Oligarchie und haben nur dann Zulauf, wenn die Unzufriedenheit mit der Militärherrschaft wächst. Das ist derzeit wieder der Fall. Musharraf, der sich im Oktober 1999 an die Macht putschte, muss sich mit einer wachsenden Opposition auseinandersetzen. Er reagiert mit Massenverhaftungen und dem Versuch, wenigstens einige der halbautonomen Machtzentren unter Kontrolle zu bringen.

Ob er auch die islamistischen Organisationen entwaffnen kann und will, bleibt allerdings fraglich. Die Islamisten haben zahlreiche Sympathisanten in der Armee, zudem benötigt man sie für außenpolitische Zwecke. Im indischen Kaschmir werden islamistische Gruppen unterstützt, um den pakistanischen Anspruch auf dieses Gebiet durchzusetzen. Noch immer erhalten die afghanischen Taliban Hilfe aus Pakistan, dessen Oligarchie die Hoffnung nicht aufgegeben hat, dass sich doch noch ein Weg zu den Energievorräten Mittelasiens freischießen lässt.

Dieses Ziel könnte durchaus noch erreicht werden. Warlordisierung und autoritäre Herrschaft werden von den westlichen Staaten zwar gelegentlich kritisiert, aber weit öfter geduldet oder gefördert, wenn sie nützlich sind. Jedenfalls war der Versuch, das Ausbleiben der Modernisierung durch militärische Stärke zu kompensieren, bislang recht erfolgreich. Nachdem Pakistan mit seinen Atomwaffentests 1998 die Tür zum exklusiven Club der Atommächte eingetreten hatte, gab es keine ernsthaften Anstrengungen mehr, das Land wieder hinauszuwerfen.

Musharraf versucht nun, seine Macht über die für 2002 geplanten Wahlen hinaus abzusichern. Er verlässt sich darauf, dass den westlichen Staaten ein »gemäßigter« Militärdiktator lieber ist als eine zivile Regierung, die weder die Islamisten noch das Militär oder den Geheimdienst kontrollieren kann. Diese Kalkulation scheint aufzugehen. Nachdem er am 21. Juni den Titeln des Chief Executive und des Generalstabschefs noch den des Präsidenten hinzugefügt hatte (Jungle World, 27/01), kamen aus den westlichen Hauptstädten zwar die üblichen Mahnungen, doch bitte bald wieder zur Zivilherrschaft zurückzukehren. Von weiteren Sanktionen aber war nicht die Rede, schließlich würde ein ökonomischer Zusammenbruch die Islamisten weiter stärken, möglicherweise könnten sich sogar politische Fanatiker der Atomwaffen bemächtigen und das Feuer des heiligen Krieges einmal auf unkonventionelle Art entfachen wollen.

Für die Beendigung der verbliebenen Sanktionen hat Pakistan schlagkräftige Argumente. Am 19. Juni erklärte Außenminister Abdul Sattar, das Rüstungsembargo zwinge im Kriegsfall zum frühzeitigen Einsatz von Atomwaffen. Wenn Pakistan sich auf seine konventionelle Armee nicht verlassen könne, bedeute das »in der Konsequenz ein größeres Vertrauen in die strategische Abschreckung«.