Streit um die Ausweitung des Nato-Mandats in Mazedonien

Ideenlose Sammler

Die Ausweitung des Nato-Mandats in Mazedonien bleibt umstritten. Doch auch die OSZE und die EU haben kein Konzept für die Zeit nach der Beendigung von Essential Harvest.

Normalerweise sind es die USA, die den Ton angeben, wenn es um neue Einsätze der Nato geht. Doch während des Außenministertreffens der EU Anfang September im belgischen Genval war es Bundesaußenminister Joseph Fischer, der sehr deutlich eine Erweiterung der Nato-Mission Essential Harvest in Mazedonien forderte und damit bei den meisten seiner Amtskollegen auf Zustimmung stieß. In Washington reagierte man düpiert. »Die USA sind es nicht gewöhnt, dass die europäischen Nato-Partner intern Entscheidungen vorbereiten und den USA dann ihre Position präsentieren«, hieß es aus dem State Department.

Am 26. September endet das Mandat der Nato zum Einsammeln der Waffen der albanischen Separatistenorganisation UCK, und kaum ein Politiker der beteiligten europäischen Staaten hat bisher Konzepte für die Zeit danach vorgelegt. Fischer schlägt nun vor, dass Nato-Truppen, ausgestattet mit einem Uno-Mandat, in Mazedonien bleiben, um dort ein »mögliches Sicherheitsvakuum« zu füllen. Ob das eine Aufgabe der Nato ist, sei einmal dahingestellt, doch dass ein solches Vakuum entstehen könnte, scheint nicht abwegig zu sein.

Denn wenn die Nato Ende September das Land verlässt, werden sowohl die mazedonische Armee als auch die Flüchtlinge wieder in jene Regionen zurückkehren wollen, die derzeit noch im Hoheitsgebiet der UCK-Kämpfer liegen. Weil aber tatsächlich zu befürchten steht, dass die UCK auch nach der Abgabe der vereinbarten 3 300 Waffen nicht bedeutend geschwächt sein wird, liegt in der Rückkehr der mazedonischen Sicherheitskräfte und der geflohenen Bevölkerung ein enormes Konfliktpotenzial.

Wie die Konflikte verhindert werden könnten, haben sich die Strategen der Nato indes nicht überlegt. Vielmehr sind insbesondere die USA unwillig, sich an der Errichtung eines dritten Protektorats auf dem Balkan militärisch zu beteiligen. Die Bush-Administration scheint nicht von einer neuen Nato-Mission überzeugt zu sein. Das gilt jetzt umso mehr. Denn nach den verheerenden Terroranschlägen in den USA ist der Balkan auf der außenpolitischen Agenda ganz nach unten gerutscht.

Das sorgt für seltsame Allianzen. Plötzlich sehen sich die mazedonische Regierung und die Vereinigten Staaten auf einer Seite. »Wenn die Nato weiter in Mazedonien bleibt, wäre das eine Unterstützung für die Terroristen der UCK«, sagte Georgij Trendafilow, der Sprecher des Premierministers Ljubco Georgievski, der Jungle World.

Die mazedonische Regierung bevorzugt stattdessen eine Neuauflage der bis vor einiger Zeit im Lande stationierten Uno-Truppe Unpredep, die an der Grenze zum Kosovo stationiert werden soll, um das Einsickern weiterer UCK-Kämpfer zu verhindern. Nach der Meinung von Harald Schenker, dem Sprecher der OSZE-Mission in Skopje, wäre das gar keine schlechte Idee: »Man muss nicht die Nato im ganzen Land haben. Auch wenn die Uno nur an der Grenze patrouilliert, könnte es funktionieren, die Rückkehr von Flüchtlingen und das Einrücken der Armee auf friedlichem Wege zu lösen.«

Doch wer soll die bewaffneten Truppen stellen? Offenbar liegt der Sinn von Essential Harvest vor allem darin, den Konfliktmanagern der EU und der Nato Bedenkzeit zu verschaffen. Doch jetzt, wenige Tage vor dem Ende der Waffensammlung wurde in Wien, Brüssel und Washington wohl die Devise »Zurückhaltung« ausgegeben. Die OSZE möchte eine Blamage wie im Kosovo vermeiden und hat es nach langen internen Verhandlungen geschafft, immerhin 50 Beobachter in Skopje zu stationieren, die EU ist lediglich mit 25 zivilen Vertretern präsent. Ansonsten bilden die Nato-Truppen die einzige internationale Kraft im Land.

Dass ihre Anwesenheit den ohnehin wachsenden Nationalismus unter den slawischsprachigen Mazedoniern zusätzlich schürt und einer längerfristigen Stabilität abträglich ist, gilt als politischer Kollateralschaden des Krisenmanagements. »Die EU ist überhaupt nicht aktiv genug«, beklagt sich auch der Sprecher Georgievskis, Georgi Trendafilow.

Bezeichnend für die derzeitige Stimmung der politischen Entscheidungsträger ist es auch, dass Nato-Generalsekretär George Robertson am vergangenen Freitag stundenlang im OSZE-Hauptquartier in Skopje verbrachte, um die Organisation doch noch zu mehr Teilnahme zu bewegen.

Eine originelle Idee für eine andere Form der internationalen Präsenz in Mazedonien hatte der EU-Sonderbeauftragte François Léotard. Er forderte die Entsendung einer Truppe von 1 500 Soldaten des Eurocorps nach Mazedonien. Leider ist die Idee zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht durchführbar, denn diese EU-Truppe besteht bislang nur auf dem Papier, und es ist kaum anzunehmen, dass die Union dies in den wenigen Tagen bis zum Ende von Essential Harvest ändern kann. Schließlich wäre ein Einsatz des Eurocorps die erste Peacekeeping-Aktion unter Leitung der Union.

Abgesehen von der Zurückhaltung aller in Frage kommenden internationalen Organisationen, treten auch die Konzepte zur Beilegung des Konflikts in Mazedonien in Widerstreit. Ein Teil der internationalen Krisenmanager möchte die Nato in allen der bis vor kurzem umkämpften Gebiete stationieren. Die mazedonische Regierung dagegen beruft sich auf die Souveränität des Landes. Sie will den UCK-Kämpfern aus dem Kosovo einen Riegel vorschieben und daher eine internationale Präsenz nur an den Grenzen zulassen.

Nun werden vereinzelt auch flankierende Maßnahmen erwogen. »Wir brauchen eine Sicherheitszone im Kosovo an der Grenze zu Mazedonien«, schlug etwa Jordan Boschkow, der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des mazedonischen Parlaments, im Gespräch mit der Jungle World vor. »Man muss dort Tausende Menschen umsiedeln, damit nicht noch mehr UCK-Rebellen aus dem Kosovo kommen.«

Auch verbal hat Boschkow einiges zu bieten. »Bei uns sind 80 Prozent der albanischen Jugendlichen und rund 50 Prozent der mazedonischen Jugendlichen arbeitslos. Da hat die Politik nichts mehr zu bestellen. Die Nato steckt zwar 250 Millionen Euro in ihre Mission hier, aber dann drohen sie uns, dass die Geberkonferenz nicht klappen könnte, wenn wir ihnen nicht entgegenkommen. Man kann uns besiegen. Aber man kann uns nicht für blöd verkaufen.«