Allensbacher Umfrage über das Ansehen Berlins

DDR statt Metropole

Jetzt ist es raus. Deutschland weiß Bescheid. Ein ganzes Jahrzehnt lang haben die Berliner Offiziellen alles daran gesetzt, das Gerücht von der alten, aber zugleich auch ganz neuen Hauptstadt zu streuen. Man redete von der Vermittlungsfunktion der Stadt zwischen Ost und West, beschwor die wilden zwanziger Jahre herauf, gab erst kürzlich den Mythos Brigitte Mira zugunsten des größeren Mythos Marlene Dietrich auf (und entschuldigte sich en passant sogar bei der Antifaschistin für frühere Schmähungen), man leistete sich mit Frankfurt am Main einen erbitterten Kampf um die Bezeichnung Metropole, verglich die Hauptstadt mit New York, Paris, Tokio, London und manchmal gar mit dem »alten« Moskau, man ließ den Karneval der Kulturen, die Bundeswehr und die Liebe paradieren, zwängte das Brandenburger Tor auf die Euro-Münze und versuchte alles, um Berlin »im Gespräch« zu halten.

Selbst in der Linken gibt es unerschütterliche Berlin-Fanatiker, und sogar hier, auf der Hauptstadtseite der Jungle World, glaubten die Autorinnen und Autoren manchmal, in ihren Texten eine Weltstadt zu kritisieren.

Doch nun ist alles aus! Der Schwindel ist aufgeflogen! Das Institut für Demoskopie in Allensbach hat 2 000 Bundesbürger gefragt, wie sie zu Berlin stehen, und sie haben vernichtend geantwortet. »Leider müssen wir feststellen, dass der Glaube an die Zukunft Berlins oder auch die Meinung, Berlin ist etwas ganz Besonderes, erheblich zurückgegangen ist«, kommentiert Elisabeth Noelle-Neumann, die Begründerin des Instituts und seit ihren Lehrjahren im Dritten Reich eine begeisterte Vermesserin der deutschen Seelen, das Ergebnis der aktuellen Umfrage. Nur noch 44 Prozent aller Deutschen stimmen der Aussage zu, dass Berlin sich zu einer faszinierenden Metropole entwickle. Mitte der neunziger Jahre waren das immerhin noch 52 Prozent.

Man kann dem Rest Deutschlands also nicht länger etwas von der blühenden Hauptstadt vormachen. Dass aber das Ansehen Berlins so beschmuddelt ist, erklärt sich nicht etwa durch die schwere Schuldenlast oder die Planungsfehler bisheriger Senatoren, nein, es liegt, wie so vieles, an der DDR.

Noelle-Neumann hat herausgefunden, dass es unter anderem die Regierungsbeteiligung der PDS sei, der man mit Unverständnis begegne, und Georg Gafron, die Berliner Schnauze, meint verbittert: »Der Westen Deutschlands wendet sich von seiner Hauptstadt ab.« Deutschland hat also herausgefunden, dass in Berlin, insbesondere in seinen Ostteilen, noch immer der ewig gestrige rote Mob tobt, und schließt daraus, dass deshalb aus Berlin kein zweites New York oder Moskau zu machen ist. Daher sind eben nur noch 41 Prozent der Befragten der Meinung, dass Berlin »etwas ganz Besonderes« habe, während der Rest der Deutschen findet, dass es um Berlin besonders schlimm steht.

Doch Frau Noelle-Neumann weiß Abhilfe. Die rot-grüne Bundesregierung sei zur Zeit ohne Mehrheit, und - »nichts gegen Frau Merkel« - mit Edmund Stoiber könne das »bürgerliche Lager« in diesem Jahr die Wahl gewinnen, denn ihm würden Führungsqualitäten zugesprochen. Da ja Stoiber, der Bayer, der bekanntermaßen den Urbanisten an sich verkörpert, dann außerdem Herrscher in und über Berlin wird, kann mal ordentlich aufgeräumt werden. Und die traditionsreiche Spreestadt wird vielleicht rein imagemäßig doch noch irgendwie an der Seine oder der Themse zu liegen kommen. Oder so.