Neues Boulevardblatt X-News

Hirn und Sex

Geheimnis und Entblößung sind die zwei Grundthemen des Boulevard-Journalismus, und die ihnen innewohnende Tragik macht die Bild-Zeitung oder die B.Z. so liebenswert gruselig.

Wenn man auf diese Ingredienzen jedoch verzichtet, dann entsteht ein Mix aus psychopathischem Buchstabensalat und schlecht gescannten Bildern; dann gibt es jeden Donnerstag die Ein-Euro-Wochenzeitung X-News - »Die junge Zeitung fürs Wochenende«. Ihr Verleger Klaus Helbert hat nur ein Ziel: Dass »Zeitung-Lesen wieder Spaß macht!«

Helbert war in den Neunzigern der Herausgeber von Coupé, einer Zeitschrift, die nicht nur als Fachblatt für »Turbo-Orgasmen« von sich reden machte und mit Themen wie »Grausamer Satanskult: Hilflose Waise bei Schwarzen Messen abgeschlachtet!« große investigative Reisen in die Phantasie unternahm. Coupé setzte auch Maßstäbe, wenn es darum ging, Elephantitis-Opfern breite Fotostrecken zu widmen.

Ganz so viel Spaß macht X-News nicht. Titelthema der ersten Ausgabe: »Dieter Bohlens Teppichluder intim: 'Jetzt sage ich alles!'« Schön wär's, denkt man sich, und dann kommen doch nur »Bohlen und sein 'kleiner Dieter', der dicke Knast-Millionär Schmitz, das skandalöse Lesben-Geständnis«. Aber wer dann zur »ganzen Story ab S. 4« blättert, findet als Bindeglied weder den skandalösen, dicken Penis noch die kleinen, reichen Lesben, sondern nur »Auszüge aus Dieters Abschussliste« mit anmaßenden Körpermaß-Vergleichen. Hat Verona wirklich »90-60-90« und ihre hübschere Nachfolgerin Estefania nur »88-56-88«? X-News wird sich für den einen Euro doch wohl ein anständiges Maßband zulegen können. Betrug! Enteignet Helbert!

Verweilen wir auf Seite 4, gehen aber gedanklich weiter zur Abteilung biogenetische Selektion im Reagenzbrillenglas eines deutschen Auseinanderdividierers: »Schaun Sie mal: Es gibt Menschen mit Hirn, und es gibt Menschen mit Sex. Und es gibt Menschen, die beides haben. Dazu gehört Janina. Das Teppichluder mit Hirn und Sex.«

Und es gibt Journalisten mit Hirn und Sex und sie platzieren Textminiaturen wie diese in die Rubrik »Nachrichten«: »So erkennen Sie einen Perversen: Am Arbeitsplatz: Oft reißen Pädophile fiese Witze über Kinder. Falls Sie auf einen solchen Fall stoßen, melden Sie ihn!« So gestoßen, gibt es dann zur Belohnung im »Trendoskop« den - »Toll: Fessel-Sessel. Für erregende Auslieferungs-Nummern. (www.neckermann.de). Hippes Teil für Bondage-Fans!«

Eigentlich soll X-News aber mehr sein als nur eine Zeitschrift. Sie soll zentraler Teil des großen Helbert-Universums werden. Es besteht aus einer Software-Firma, die Programme entwickelt, die dann bei einer Singlebörse und bei diversen Sexseiten zum Einsatz kommen, aber auch für Videokonferenzen genutzt werden können. Für all das wird in X-News geworben. In der ersten Ausgabe jedenfalls. Die zweite hat ihren Weg an die Berliner Kioske nicht gefunden, und auch die Homepage von X-News verweist auf nichts weiter als ein obskures Voting-System.