Michael Knoche von der IG BAU

»Lohnverzicht schafft keine Jobs «

Das Frankfurter Bauunternehmen Philipp Holzmann ist pleite. Vorige Woche beantragte das Management ein Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Frankfurt. Das Unternehmen hat nach der viel gelobten und von den Beschäftigten umjubelten Rettungsaktion im Jahre 1999, als sich Bundeskanzler Gerhard Schröder für den Erhalt des Bauriesen stark machte, nur zwei Jahre überleben können. Nun könnten zehntausende Menschen ihre Arbeit verlieren. Michael Knoche ist Sprecher der IG Bauen-Agrar-Umwelt (BAU) in Frankfurt.

Wie beurteilen Sie die jüngste Entwicklung der Holzmann AG?

Die Entwicklung hatte fast den Charakter einer Inszenierung, wobei sie auf den billigen Plätzen nicht sehr freundlich aufgenommen wurde.

Inwiefern eine Inszenierung?

Die Deutsche Bank hat sich für ein Sanierungskonzept eingesetzt, das sie selbst geschrieben hat. Das hat sie natürlich nicht aus Menschenfreundlichkeit getan, sondern vermutlich deshalb, weil es ihr den geringsten Schaden bereitet. Auch die anderen Akteure hatten hintergründige Interessen. Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, dass es nicht nur um den einen oder anderen Fehlbetrag bei Holzmann ging, sondern dass die Banken sich in einer Neuordnungssituation befinden und alte Rechnungen beglichen wurden.

Aus der IG BAU kam der Vorwurf, man habe das Unternehmen aus politischen Gründen kaputt gehen lassen. Was für ein Interesse könnten die Banken daran haben, dass das Unternehmen dicht machen muss?

Manche wollen beweisen, dass politische Interventionen Sündentaten sind. Vor zweieinhalb Jahren hat zunächst der hessische Ministerpräsident Roland Koch erfolglos versucht, sich als Retter des Konzerns aufzuspielen. Als dann der Kanzler mehr oder weniger gerufen wurde und er seinen Einfluss geltend machte, hatte das mehr mit Psychologie zu tun, da ja das Geld bis heute nicht angetastet worden ist, das er damals versprochen hat. Damals haben fast alle, auch in der Union, dieser Intervention das Wort geredet, von den Marktradikalen einmal abgesehen. Jetzt will keiner mehr ewas damit zu tun gehabt haben.

Doch der Fall Holzmann beinhaltet eine ganz andere Lehre, nämlich die, dass der Verzicht von Beschäftigten auf tarifliche Ansprüche nicht hilft, Arbeitsplätze zu sichern oder gar welche zu schaffen, wie immer wieder von den Anhängern der Marktlehre behauptet wird.

Heißt das, der Jubel und die »Gerhard, Gerhard«-Rufe waren damals ganz schön naiv?

Das ist eine sehr überhebliche Einschätzung. Wenn man nicht selbst in existenziellen Nöten ist, kann man als Beobachter zu solchen Schlussfolgerungen kommen. Doch der Jubel damals war echt, und er war auch gerechtfertigt, insofern es wirklich Gerhard Schröder war, der diese Wende herbeigeführt hat.

Nun wird behauptet, Schröders Eingreifen habe dazu geführt, dass viele mittelständische Unternehmen in den Ruin getrieben wurden, weil sich die Beschäftigten von Holzmann mit geringeren Löhnen zufrieden gegeben haben. Die mittelständischen Unternehmen hätten den Dumping-Wettbewerb nicht ausgehalten.

Die befinden sich ja in einem ganz anderem Konkurrenzumfeld. Lohndumping und Tarifbruch sind nicht erst 1999 bei Holzmann erfunden worden, sondern mittlerweile gängige Praxis, zum Beispiel in den neuen Bundesländern.

Es gab bis letztes Jahr im Sommer bei Holzmann Mehrarbeit bis zu fünf Stunden pro Woche, die als Stundenguthaben gutgeschrieben wurden. Die sind natürlich jetzt durch die Insolvenz in Gefahr. Aber es bestand eben die Chance weiterzumachen, und das hat diese mittelständischen Unternehmen, die tatsächlich in großer Zahl in den beiden Jahren Pleite gegangen sind, sicher nicht in Gefahr gebracht.

Zumal wenn man sieht, dass bei den Konkurrenten von Philipp Holzmann unter der Hand auch mehr gearbeitet wird, und zwar unentgeltlich. Dieser Dumping-Wettbewerb ist von Holzmann in den neunziger Jahren auch mit eingeleitet worden, insbesondere durch den Einsatz von Subunternehmern und illegal Beschäftigten bei diesen Subunternehmern.

Die einseitige Schuldzuweisung an die Belegschaft wegen des Opfers, das sie gebracht hat zur Sanierung des Konzerns, ist eine Polemik, die dem Mittelstand nicht hilft. Auch damals schon wären mittelständische Unternehmen mit in den Abgrund gerissen worden, allerdings bei der Insolvenz, nicht bei der Sanierung.

Ist es nicht ähnlich polemisch, ja sogar bedenklich, wenn die IG BAU immer auf die illegale Beschäftigung verweist? Haben Sie keine Bedenken, dass sich die Stimmung gegen Ausländer wendet?

Diese Bedenken haben wir und deshalb machen wir auf das Problem aufmerksam. In der Bauwirtschaft tritt die illegale Beschäftigung besonders stark auf, sie ist vergleichbar mit dem Menschenhandel in der Prostitution. Wobei die Bauwirtschaft nicht nur Opfer ist, sondern auch Täter. Die Kritik richtet sich an diejenigen, die diese illegale Beschäftigung organisieren und davon profitieren. Es geht nicht gegen den einzelnen illegal Beschäftigten.

Wir müssen sowohl im Interesse dieser armen Teufel als auch der hier lebenden Menschen, die eine Arbeit suchen oder haben, dafür sorgen, dass es nicht zu einem Dumping-Wettbewerb kommt und dass es gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt. Deswegen muss man zu legaler Beschäftigung für alle kommen und damit die schreckliche Konkurrenz unter den Arbeitnehmern aufheben.

Es wird behauptet, dass die Bedingungen für eine »schonende Abwicklung« bei Holzmann heute schlechter seien als vor zwei Jahren. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Friedrich Merz, hat gesagt, er hätte Holzmann schon damals seinem Schicksal überlassen.

Herr Merz ist im Bundestag Amok gelaufen. Die Frage ist doch, für wen es nicht besser geworden ist. Deshalb, weil Holzmann kaputt geht, hat kein einziger Mittelständler eine bessere Überlebenschance.

Merz hätte am vergangenen Freitag im Bundestag Ja sagen können zu den Maßnahmen gegen illegale Beschäftigung, aber er hat Nein gesagt. Er will den Kanzler vorführen, bei welchem Thema auch immer. Für uns spielt es aber keine Rolle, wie der Kanzler dasteht, für uns ist wichtig, was es den Menschen bringt. Die, die jetzt noch bei Holzmann gearbeitet haben, das sind 10 000 bis 11 000 Beschäftigte im Inland, die haben noch zweieinhalb Jahre Arbeit gehabt. Wir haben viele über die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, also den zweiten Teil des Sanierungstarifvertrags neben den Mehrarbeitsstunden, in andere Berufe oder den ersten Arbeitsmarkt vermitteln können.

Wir haben die Entlassungen sozial abgefedert, zum Teil sind auch Arbeitsplätze durch Verkäufe woanders gelandet. Unterm Strich haben wir - negativ formuliert - eine zweieinhalbjährige Verschnaufpause für die Kollegen organisiert.

Hätten Sie sich noch einmal ein Engagement von Schröder gewünscht?

Wir haben jetzt keinen Sinn mehr darin gesehen. Es ist deutlich geworden, dass das, was die Politik angeboten und auch eingebracht hat vor zwei Jahren, dazu geführt hat, dass man zweieinhalb Jahre weitermachen konnte. Andererseits wurde das Geld nicht angetastet, das die Regierung angeboten hat. Also kann es daran nicht gelegen haben.

Was hätte der Kanzler noch machen sollen? Zumal alle, die da in Aufsichtsräten, Wirtschaftsverbänden und Redaktionen sitzen, sagen, sie wollen gar keine politische Intervention, und nur noch einen suchen, der sich als gescheiterter Makler im Wahlkampf blamiert. Es gab diesmal offenbar keine Chance mehr, die Banken umzustimmen.

Sie geben die Schuld den Banken. Der Commerzbank-Sprecher Peter Pietsch behauptet aber, Holzmann sei ein Fass ohne Boden. Werden diese riesigen Unternehmen wie Holzmann oder auch Kirch mit ihren Schulden zu einem Risiko für die Banken?

Ich würde mal abwarten und mir das genau angucken, ob die Banken wirklich so ein schlechtes Geschäft gemacht haben sowohl in den letzten zweieinhalb Jahren als auch jetzt mit dem Insolvenzverfahren. Sie können davon ausgehen, dass bestimmte Gläubiger sich ganz gut bedient haben.