US-Politik im Nahen Osten

Entschärfen oder entscheiden

Zu behaupten, die Nahost-Politik der USA stecke in einer Krise, wäre eine glatte Untertreibung. Die Reise des US-Außenministers Colin Powell zeugt von der großen Ratlosigkeit der Bush-Administration. Weder von Israels Premierminister Ariel Sharon noch vom Palästinenserpräsidenten Yassir Arafat konnte Powell substanzielle Zusagen über einen Rückzug bzw. einen Waffenstillstand bekommen. Vielmehr wurde nicht nur, wie es mittlerweile üblich ist, Powells Besuch von den Palästinensern mit einer neuen Serie von Anschlägen begrüßt, das Selbstmordattentat vom vergangenen Freitag geht sogar auf das Konto der Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden, die mit der Fatah verbunden sind, für die Arafat selbst die politische Verantwortung trägt.

Insbesondere durch das Treffen mit Arafat vertieft Powell die Widersprüche seiner Nahost-Politik. Einerseits unterstützen die USA die UN-Resolutionen 242 und 338, in denen der Rückzug der israelischen Truppen aus den besetzten Gebieten gefordert wird. Außerdem implizieren sämtliche unter »Friedensinitiativen« subsumierten Aktivitäten und Vorschläge Yassir Arafat als Verhandlungspartner.

Andererseits hat Präsident George W. Bush nach dem 11. September den »Kampf gegen den Terror« zum Staatsziel erhoben und verkündet, mit »Terroristen« werde nicht verhandelt. Darüber, was einen »Terroristen« ausmacht, ist man sich zwar auch in den USA nicht ganz einig. Auch bei engster Auslegung der Kriterien dürfte aber die Anführerschaft einer Vereinigung von Attentätern für eine Etikettierung als »Terrorist« ausreichen. Also ist der Außenminister für sein Treffen mit Arafat in die Kritik der republikanischen Rechten im Kongress geraten, welche die Regierungsdoktrin von der Terrorismusbekämpfung noch ernster zu nehmen scheint als die Regierung selbst.

Angesichts der bis dato einmalig schwachen Verhandlungsposition der US-Regierung in Nahost ist ideologietrunkene Einmischung von rechts außen das letzte, was Bush und Powell derzeit gebrauchen können. Pragmatismus ist gefragt, denn außenpolitische und militärische Erfolge sind ein bedeutendes Kriterium der Beurteilung einer Regierung in den USA. Die Außenpolitik erlaubt es einer Regierung, trotz innenpolitischer Querelen, an denen ja derzeit kein Mangel herrscht, noch einigermaßen gut auszusehen. Ausgerechnet die Zweifel an Bushs außenpolitischer Kompetenz ließen viele Amerikaner bei den letzten Präsidentschaftswahlen ihr Kreuzchen bei Al Gore machen, und im Herbst stehen wieder Kongresswahlen an.

Gut auszusehen, wird aber angesichts der Lage immer schwieriger. Israel ist der verlässlichste Verbündete der USA im Nahen Osten, doch Ariel Sharon zeigte sich wenig beeindruckt von Bushs Forderung nach einer Beendigung der Militäroffensive. Auch auf der arabischen Seite verlieren die USA an Boden. Die arabischen Herrscher haben zu neuer Einheit gefunden, ein Angriff auf den Irak wird derzeit nicht einmal von Kuwait und Saudi-Arabien unterstützt, und über das saudische Friedensangebot an Israel redet niemand mehr.

Wenn die Regierung Bush nicht in die Zwangslage geraten will, sich irgendwann zwischen Israel und ihren arabischen Verbündeten entscheiden zu müssen, ist eine zumindest mittelfristige Entschärfung des Nahost-Konfliktes oberstes Gebot.

Wenn Colin Powell also, wie am Sonntag geschehen, ein völlig ergebnisloses Gespräch mit Yassir Arafat, mit dem er gemäß der Anti-Terror-Doktrin der US-Regierung gar nicht hätte reden dürfen, als »nützlich und konstruktiv« bezeichnet, dann sprechen aus ihm vor allem das dringende Bedürfnis, nicht noch weiter an Boden zu verlieren und die vage Hoffnung, den Nahost-Konflikt irgendwann wieder unter Kontrolle zu bekommen.