Debatte über einen Ölboykott

Quellen der Macht

Die Entscheidung wurde »im Namen des irakischen Volkes« verkündet. Mit sofortiger Wirkung werde man zunächst 30 Tage lang »den Ölexport vollständig stoppen«, erklärte Saddam Hussein am Montag der vergangenen Woche. Der Ölpreis stieg nach dieser Ankündigung auf über 27 Dollar pro Barrel, den höchsten Stand seit sieben Monaten.

Da bereits zuvor auch der Iran und Libyen einen Ölboykott zur Unterstützung der so genannten Al-Aqsa-Intifada befürwortet hatten, sofern sich andere islamische Förderstaaten anschließen würden, verbreitete sich in den westlichen Staaten die Sorge, die Ölkrise von 1973 könne sich wiederholen. Damals hatten die Opec-Staaten mit einem zeitweiligen Stopp der Exporte für eine Vervierfachung des Ölpreises gesorgt.

»Wir vertrauen auf Gott und das Öl«, erklärte der saudische König Fahd, als der Ölpreis in den frühen achtziger Jahren seinen Höchststand erreicht hatte. Doch Saudi-Arabien, der wichtigste Opec-Produzent, hat die Idee eines Ölboykotts jetzt ausdrücklich abgelehnt, Libyen und der Iran haben auf den irakischen Vorstoß nicht mehr reagiert. Einen Ölboykott zu propagieren, eignet sich zur Anstachelung nationalistischer und religiöser Emotionen. Die arabischen Förderstaaten und der Iran, deren Staatsklassen sich mit der Ölrente am Leben erhalten, brauchen jedoch derzeit die Exporteinnahmen dringender als der Westen ihr Öl.

Auf die Krise von 1973 reagierten die westlichen Staaten mit Versuchen, ihre Abhängigkeit von den Opec-Produzenten zu reduzieren. Deutschland, das noch Anfang der neunziger Jahre 44 Prozent seines Öl von der Opec bezog, deckt heute knapp zwei Drittel seines Bedarfs aus anderen Quellen. Die propagierte Erschließung alternativer Energieträger kam kaum voran, sodass die westliche Wirtschaft weiterhin von einer stetigen und preisgünstigen Ölzufuhr abhängig bleibt.

Die militärische Präsenz der USA in der Golfregion dient vor allem der Sicherung dieser Zufuhr vor Störenfrieden wie Saddam Hussein. Doch die wichtigsten Verbündeten, Saudi-Arabien und Kuwait, haben sich auf dem arabischen Gipfeltreffen in Beirut demonstrativ mit dem Irak versöhnt (Jungle World, 15/02). Deshalb ist die Bedeutung der Türkei als Aufmarschgebiet und möglicher Kriegsteilnehmer noch gewachsen. Als Gegenleistung für ihre Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak, so der Wissenschaftler Dan Plesch vom britischen Royal United Services Institute in der Zeitschrift New Statesman, haben die USA den Zugriff auf die Ölfelder im Norden des Landes angeboten. Der wirtschaftliche Handlungsspielraum für die Türkei soll durch ein konziliantes Regime im Irak verbessert werden.

Die Türkei hat auch eine zentrale Bedeutung für die Erschließung der Ölfelder im Kaukasus und in Zentralasien. Dort versuchen neben den USA auch die europäischen Nato-Staaten, durch einen Ausbau ihrer militärischen Präsenz ihren politischen Einfluss zu stärken. Manche Analytiker allerdings halten so etwas für überholt. Eine europäische Politik, die erfolgreich mit den USA konkurrieren will, könne sich nicht allein auf den Ausbau einer europäischen Armee stützen, argumentiert Dan Plesch. Europa solle seine Abhängigkeit vom Öl durch die Verwendung alternativer Energieträger reduzieren, um von den militärischen Einsätzen der USA weniger abhängig zu werden.

Eine solche Politik würde zum Wettbewerbsvorteil werden, wenn die Ölquellen versiegen. Manche Wissenschaftler prophezeien, dass schon in zwei bis sechs Jahren keine neuen Ölvorräte mehr erschlossen werden können. Andere glauben hingegen, dass in der ganzen Welt noch mehr als drei Trillionen Barrel Rohöl zur Verfügung stehen.