Jugoslawien kooperiert mit dem Uno-Tribunal

Staatsbürger billig abzugeben

Es mag zynisch klingen, aber gute Gründe, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen, wird Vlajko Stojiljkovic allemal gehabt haben. Als serbischer Innenminister trug er bis zum Sturz Slobodan Milosevics die Verantwortung für jene Polizeieinheiten, die im Kosovo 1998 und 1999 für Angst und Schrecken sorgten. Aus seinem Ministerium kam auch das Geld, das berühmt-berüchtigten Paramilitärs wie dem Anfang 2000 ermordeten Zjelko Raznjatovic, genannt Arkan, ihr mörderisches Treiben an der Seite der regulären jugoslawischen Truppen ermöglichte.

Ob es nun ein schlechtes Gewissen oder die Angst vor unzähligen Jahren im Gefängnis war, die Stojiljkovic zur Pistole greifen ließ, wird man wohl nie erfahren. Klar aber ist, dass ihm nach dem Beschluss des jugoslawischen Parlaments von voriger Woche, alle vom Uno-Kriegsverbrechertribunal gesuchten Bürger

des Landes auszuliefern, eine ähnliche Zukunft blühte wie seinem einstigen Parteichef. Milosevic, der wie Stojiljkovic und drei weitere Mitglieder der im Oktober 2000 gestürzten Belgrader Führung wegen Völkermordes und Kriegsverbrechen angeklagt ist, beharrt zwar bis heute darauf, ruhig schlafen zu können.

Doch vor einer Verurteilung dürfte ihn seine Charakterisierung des Gerichts als »illegaler Bestandteil des Genozids an der serbischen Nation« kaum bewahren. Denn so berechtigt die Kritik an der mangelnden Legitimität des Uno-Organs auch ist, handelt es sich bei seinen serbischen, kroatischen oder bosnischen Gegnern in der Regel um alles andere als emanzipatorische Bündnispartner im Kampf gegen den judikativen Imperialismus.

Was die faschistischen Parlamentarier der Radikalen Partei Vojislav Seseljs und die sozialistischen Parteifreunde Milosevics eint, ist ihr radikaler Patriotismus. Der wiederum unterscheidet sich von dem der vermeintlichen Vaterlandsverräter Zoran Djindjic und Vojislav Kostunica lediglich in Nuancen, wenn man davon absieht, dass ihnen an der Spitze eines bankrotten Staates kaum eine andere Wahl blieb, als sich der finanziellen Erpressung der USA zu beugen. Diese hatten die Vergabe von Hilfsgeldern an die bedingungslose Kooperation Belgrads mit dem Uno-Tribunal geknüpft.

In der bedingungslosen Verteidigung jener Kriege jedoch, die das sozialistische Jugoslawien Titos in der ersten Hälfte der Neunziger in Schutt und Asche legten, sind sich von Djindjic bis zu Seselj alle einig. Auch Milosevic kritisierten sie 1999 nicht etwa, weil dieser den Krieg im Kosovo führte, sondern weil er ihn verlor.

So mag es Zufall sein, dass ausgerechnet am Tag des Belgrader Beschlusses zur Zusammenarbeit mit Den Haag in der niederländischen Hauptstadt ein Bericht über das Massaker von Srebrenica im Juli 1995 vorgestellt wurde. Das Urteil des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation passt jedenfalls wie die Faust aufs Auge. Waren es doch Djindjic und Kostunica, die General Ratko Mladic, der für die Ermordung von mehr als 7000 Zivilisten verantwortlich gemacht wird, und dem bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadzic noch ihre Aufwartung machten, als Milosevic mit der Führung in Pale längst gebrochen hatte.

Der von der Regierung in Den Haag in Auftrag gegebene Bericht zeigt aber noch etwas anderes: die Mitschuld der niederländischen Blauhelmsoldaten am Fall der 1993 von den Vereinten Nationen eingerichteten Schutzzone. Das Vorgehen des Westens »verschärfte in vielen Fällen die Feindseligkeiten noch weiter«, heißt es abschließend in der Dokumentation.

Weshalb nun aber ausgerechnet ein Organ jener internationalen Organisation über die staatlich besoldeten Mörder von Srebrenica, Sarajevo oder Srbica richten soll, die die Kriegsgegner über Jahre gewähren ließ, steht selbstverständlich nicht in dem Bericht. Schließlich hieße das einzugestehen, dass Gerechtigkeit nie aus den Gerichtssälen kommt.