Neue Allianzen nach Friedensverhandlungen

Das große Spiel

Die Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der Opposition im Kongo endeten mit neuen Allianzen.
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Hoch gepokert, viel gewonnen: Jean-Pierre Bemba, der Anführer der Guerillatruppe Mouvement pour la Libération du Congo (MLC), hat das südafrikanische Glücksspielparadies Sun City, das als Konferenzort für die kongolesischen Friedensverhandlungen diente, als Sieger verlassen. Vorerst kann er als neuer Premierminister der Demokratischen Republik Kongo einen großen Teil des Gewinns, die politische Macht in seinem Land, für sich beanspruchen. Teilen muss Bemba künftig mit dem Präsidenten Joseph Kabila, den er bislang bekämpft hatte.

Als beleidigte Verlierer blieben die zweite große Guerillaarmee Rassemblement Congolais pour la Démocratie (RCD) sowie einige zivile Oppositionsparteien am Konferenztisch der vor knapp drei Wochen zu Ende gegangenen Verhandlungen sitzen. Und auch der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki, der versucht hatte, eine Einigung aller wichtigen Konfliktparteien auszuhandeln, blieb düpiert zurück.

Jean Pierre Bemba ist einer der schillerndsten Akteure des seit 1998 andauernden Krieges im Kongo. Zu Beginn der Friedensverhandlungen im Februar drohte er noch einen Boykott der Gespräche an, verbündete sich dann mit einigen zivilen Gruppen, um schließlich triumphierend das Abkommen mit Kabila zu verkünden.

Bereits vor dem Krieg machte der knapp 40jährige Bemba ein Vermögen als Geschäftsmann, bis er im Oktober 1998 durch die Unterstützung der ugandischen Armee ein erfolgreicher Kriegsunternehmer wurde und ein großes Gebiet im Norden des Kongos erobern konnte. Als einer der wenigen Warlords entwickelte er ein politisches Programm, das der lokalen Bevölkerung politische Partizipation ermöglichen sollte.

Doch lange Zeit galt er als verlängerter Arm ugandischer Generäle, denen die Plünderung kongolesischer Bodenschätze vorgeworfen wird. Inzwischen hat sich die ugandische Armee bis an die Grenzen des Kongo zurückgezogen, und Bemba geht eigene Wege. Nach der überraschenden Einigung mit Kabila eilte er allerdings nach Kampala, der Hauptstadt Ugandas, um dort artig zu verkünden: »Mein Dank geht an Präsident Yoweri Museveni, die ugandische Regierung und die ugandische Bevölkerung für ihre Anstrengungen und für die Unterstützung, die sie den Kongolesen gaben, um sich selbst zu befreien.«

Auch zwischen den bisher verfeindeten Regierungen des Kongo und Ugandas herrscht nun Tauwetter, Delegationen besuchten die beiden Hauptstädte. Die diplomatischen Beziehungen will der kongolesische Außenminister She Okitundu allerdings erst nach einem Rückzug der ugandischen Truppen wieder aufnehmen. »Wir wollen dem Präsidenten sagen, dass diese Truppen zurückgezogen werden können, weil Herr Bemba der Premierminister ist und sich um Ugandas Sicherheit kümmern kann«, erklärte er bei einem Besuch in Kampala.

Für Joseph Kabilas Regierung bedeutet das Bündnis mit Bemba eine Stabilisierung der Herrschaft. Der von Mbeki vorgelegte Friedensplan hatte noch eine weitgehende Teilung der Macht mit allen großen Rebellengruppen und der zivilen Opposition vorgesehen, dies war von Kabila abgelehnt worden.

Zimbabwes Regierung, die mit einem großen Armeekontingent Kabilas Regierung schützt und als Gegenleistung einige Konzessionen zur Ausbeutung kongolesischer Bodenschätze erhielt, hat sich positiv zu der neuen Konstellation geäußert. Ihre »Investitionen« zu erhalten, dürfte das wesentliche Ziel der zimbabwischen Regierung sein - wenn möglich, ohne weiterhin Tausende Soldaten im Kongo zu stationieren.

Diesem Interesse scheint Bemba aufgeschlossen gegenüberzustehen. Er forderte, wenn auch vorsichtig, die ausländischen Truppen abzuziehen. Die Rohstoffkonzessionen will er aber nicht neu verteilen. »Wir brauchen Investoren. Wir brauchen Geschäftsleute«, erklärte der Kriegsunternehmer, als er während einer Pressekonferenz nach Konsequenzen der neuen Machtverteilung für ausländische Geschäftsinteressen gefragt wurde. »Wir wollen nicht, dass diejenigen, die in unserem Land investiert haben, weggehen. Wir sichern die Einhaltung der Pachtverträge zu.«

Auch in westlichen Hauptstädten wurde das Abkommen begrüßt, obwohl es einen Bruch mit der bislang unterstützen Strategie einer Einigung, an der alle Akteure teilhaben sollten, bedeutet. Sowohl der UN-Sicherheitsrat als auch die USA begrüßten die Allianz zwischen Bemba und Kabila. Die im Kongo-Konflikt einflussreichsten europäischen Länder, Frankreich, Großbritannien und Belgien, erklärten gemeinsam, dass »das politische Abkommen zwischen der Regierung des Kongo und dem MLC (...) den politischen Wechsel ermöglichen und zu einer Konsolidierung des Friedensprozesses im Kongo beitragen könnte«.

Diese Ansicht wird von den vom Abkommen ausgeschlossenen Akteuren nicht geteilt. Die Rebellengruppe RCD, der von Kabila nur der Posten des stellvertretenden Premierministers angeboten wurde, die mit ihr verbündete Regierung Ruandas und auch einige zivile Oppositionsparteien drohten kaum verhohlen mit einem neuen Waffengang. »Kabila könnte spekuliert haben, dass er mit Bemba an seiner Seite mehr Macht hat, und versuchen, den RCD herauszudrängen. Wenn das der Fall ist, wird es zu einem neuen Krieg führen«, zitierte die BBC den ruandischen Präsidentenberater Patrick Mazimpaka. Vertreter des RCD, die zusammen mit ruandischen Truppen den Osten des Kongo kontrollieren, drohten mit einer Spaltung des Landes.

Der Sicherheitsrat werde »sehr viel verärgerter reagieren, wenn eine der Parteien zur Anwendung von Gewalt zurückkehrt«, kündigte der britische UN-Botschafter Jeremy Greenstock am Dienstag der vergangenen Woche in Kinshasa an. Allerdings müsse auch der RCD in das Abkommen einbezogen werden. Auch Uganda und Ruanda forderten nach Angaben der regierungsnahen ugandischen Tageszeitung New Vison in einer gemeinsamen Erklärung weitere Verhandlungen.

Um seine Verhandlungsposition zu verbessern, hat der nur im Nordosten des Landes präsente RCD nun mit einigen zivilen Parteien ein Bündnis namens Alliance pour la Sauvegarde du Dialogue Inter-Congolais (ASD) unter Vorsitz Etienne Tshisekedis gegründet, der eine lange Karriere als Oppositionspolitiker hinter sich hat. Mit diesem Bündnis setzt die zivile Opposition aber vielleicht auf die falsche Taktik: Der RCD und Ruanda gelten im Kongo als Besatzungsmächte, und eine Zusammenarbeit mit ihnen oder gar ein neuer Krieg könnte die zersplitterte Opposition die Reste ihres Ansehens unter der Bevölkerung kosten.