George W. Bush besucht Deutschland

Schuld hat der Präsident

Während Politiker und Medien vor dem Deutschland-Besuch von George W. Bush über die Sicherheitsvorkehrungen streiten, macht die Linke mobil.

Glaubt man den Berichten einiger Medien über den bevorstehenden Besuch von US-Präsident George W. Bush in Berlin, dann wird es am 22. und 23. Mai zu einem Showdown kommen. »Linke Gewalttäter«, so heißt es, würden im Internet zu Protesten aufrufen, die »sogar die jüngsten Mai-Krawalle weit in den Schatten stellen« könnten. Wie die Welt berichtet, bereiten sich die Sicherheitskräfte deshalb auf ein »zweites Genua« vor.

Nur knapp 24 Stunden wird der US-amerikanische Präsident in der Bundeshauptstadt verweilen, doch sein als Arbeitsbesuch angekündigter Aufenthalt beschäftigt Politiker, die Polizei und eine breite Protestbewegung bereits seit Wochen.

Von diesen Protesten wird Bush womöglich gar nicht viel mitbekommen, denn abgesehen von den geplanten Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundespräsident Johannes Rau wird er lediglich im Bundestag eine Rede halten. Im Mittelpunkt der Gespräche werden »die internationale Lage und die Lage im Nahen Osten« stehen. Bush, der am 22. Mai abends ankommt, reist bereits am darauf folgenden Nachmittag nach Moskau weiter.

Der Schutz des Präsidenten ist eines der am meisten diskutierten Themen. Denn während Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verspricht, man werde für den Staatsgast »ein Maximum an Sicherheit« gewährleisten, wird dies von Teilen der Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus in Zweifel gezogen.

CDU und FDP bezeichneten den rot-roten Senat mit Blick auf das gescheiterte Deeskalationskonzept vom 1. Mai als »Sicherheitsrisiko«. Ein Sprecher der Polizeigewerkschaft GdP sagte, falls Körting wieder »die gleiche Strategie fährt«, würde er »an Bushs Stelle absagen«.

Der Innensenator konterte prompt. Die Kritik liege neben der Sache und schade »dem weltweiten Ansehen Berlins«. Denn, wie eine Sprecherin der Senatsinnenverwaltung gegenüber Jungle World betont, »das Deeskalationskonzept steht beim Schutz eines hochrangigen Staatsgastes natürlich nicht zur Debatte«. Man werde notfalls auch mit deutlicher Polizeipräsenz reagieren. Da immer noch »Versammlungsanmeldungen eingehen, ist es jedoch zu früh, die Gefährdungslage zu beurteilen«.

Die Welt am Sonntag entfachte die Debatte, als sie Anfang Mai berichtete, die Ausschreitungen am 1. Mai hätten auch bei amerikanischen Sicherheitsbehörden »schwere Bedenken ausgelöst«. Andere Zeitungen zogen nach. Bush, der eigene »Anti-Terror-Einheiten und Scharfschützen« mitbringt, habe kein Vertrauen in die Berliner Polizei und das BKA, ein Vorauskommando des Secret Service bevormunde die deutschen Kollegen.

»Deutschland ist nicht Ägypten, geschweige denn eine Bananenrepublik«, kommentierte die Welt verärgert, man sei ja schließlich auch »mit dem RAF-Terrorismus fertig geworden«. Deshalb gelte: »Kooperation mit Bushs Sicherheitsprofis, ja. Demütigung durch die Yankees, nein.«

Eine Sprecherin der amerikanischen Botschaft wies diese Darstellungen jedoch zurück. Weder der Secret Service noch Vertreter der Botschaft hätten die »deutschen Behörden aufgefordert, ihre Weisungen zu befolgen, und sie würden dies auch nicht tun«.

Noch schriller mutete die Diskussion um eine geplante Reise des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) nach Australien an, die gleichzeitig zum Besuch von George W. Bush stattfinden sollte. Kein Problem, sollte man meinen, war doch ein Treffen mit dem von der Bundesregierung eingeladenen US-Präsidenten zu Wowereits Leidwesen nie vorgesehen.

Doch die Opposition stürzte sich mit Freude auf das Thema. Der FDP-Parteivorsitzende Guido Westerwelle bezeichnete den Australien-Trip, den Wowereit in seiner Funktion als Bundesratspräsident antreten wollte, gar als »Lustreise«. Am Ende gab der als »Chef-Hedonist« Gescholtene klein bei und verschob seine Reise.

Derlei Parteiengezänk dürfte die breite Protestbewegung, die sich in den vergangenen Wochen formiert hat, wenig interessieren. Gruppen aus unterschiedlichen Spektren bereiten sich auf die Aktionstage während des Bush-Besuchs vor. Diese beginnen am 21. Mai, der ganz im Zeichen der Friedensbewegung steht.

Über 150 Gruppen rufen für den Nachmittag zu einer bundesweiten Demonstration auf, zu der sich unter anderem Uri Avnery von der israelischen Friedensbewegung Gush Shalom sowie die amerikanische Kongressabgeordnete Barbara Lee angekündigt haben. Bei der Demonstration unter dem Motto »Wir wollen ihre Kriege nicht, Herr Präsident!« erwarten die Veranstalter mehr als 10 000 Teilnehmer.

Am Abend des 22. Mai wird dann eine »Achse des Friedens« den US-Präsidenten mit einer weiteren Großdemonstration empfangen. Unter anderem beteiligen sich Attac, medico international, die Buko-Kampagne »Stoppt den Rüstungsexport« sowie die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands an dem Bündnis.

In einer Erklärung wird kritisiert, die US-Regierung nutze ihr postuliertes Recht auf Selbstverteidigung längst als »Vorwand für die Kriegsführung«. Eine »Minderheit auf dieser Welt« beanspruche alle Ressourcen für sich, und Bush sei nun auf einer »Tour durch Europa, um die Regierungen auf die Fortsetzung des weltweiten Krieges einzuschwören«.

Autonome Gruppen rufen zudem für den 22. und den 23. Mai zu dezentralen Aktionen und Demos auf. Neben einem »Reclaim The Streets«-Konzept soll auch »Volxsport« die Protestierenden begeistern. Beim »Volxsport« sollten alle mitmachen, heißt es in den Aufrufen, deshalb gebe es auch »kein vorher ausgeklügeltes Konzept«.

Dass solche Aktionen gegen »President Evil« auch in der rechten Szene Anklang finden, die unter anderem den »Aufruf zum Volxsport« auf ihren Internet-Seiten wiedergibt, sorgt im linken Spektrum für Unmut: »Wir lassen uns unseren legitimen Protest gegen kapitalistische Globalisierung, Krieg und Umweltzerstörung nicht von Nazis diskreditieren - verpisst euch!« Hilflose Abwehrfloskeln wie diese offenbaren die Unfähigkeit, sich kritisch mit den eigenen politischen Inhalten auseinander zu setzen.

Andere linke Gruppen, die zu den Protesten aufrufen, versuchen, sich deutlicher von antiamerikanischen Positionen abzugrenzen. So erklärt die Antifaschistische Aktion Berlin, man richte sich »explizit nicht 'gegen die USA', sondern gegen den normalen kapitalistischen Kriegszustand«. Und auch ein Bündnis »Cowboys für den Frieden« wendet sich unter dem Motto »Kuhtreiber statt Kriegstreiber« gegen »plumpen Antiamerikanismus«, der nicht konstruktiv sei. Kritik müsse »tiefer ansetzen, nämlich bei der neoliberalen Globalisierung«.

Auch die PDS, die zur Teilnahme an der bundesweiten Friedensdemonstration aufruft, will sich vom Antiamerikanismus abgrenzen. Doch sie hat als mitregierende Partei in Berlin gleichzeitig noch einen viel größeren Spagat zu vollziehen. Dabei scheinen die Senatsmitglieder der PDS von den Grünen zu lernen. So erklärte beispielsweise die Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) anfangs noch, sie bemühe sich um eine Teilnahme an der Demo. Doch nach Protesten der Opposition versicherte Klaus Wowereit, er habe die Zusicherung aller Senatsmitglieder, sich nicht an den Demonstrationen zu beteiligen. Kurz darauf stellte Knake-Werner fest, ihre »Terminlage« mache es ihr unmöglich, bei der Kundgebung anwesend zu sein. So ist es nun der Parteibasis vorbehalten, gegen den vermeintlich »weltweiten Krieg« der USA unter George W. Bush zu protestieren.

Die antiamerikanischen Klischees und die Fixierung auf die USA machen schon jetzt deutlich, dass die Mehrheit der Linken nicht gewillt ist, die außenpolitische Rolle Deutschlands in den Mittelpunkt der Kritik zu stellen oder auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Den Neonazis, die nun auch zu diesen »Maifestspielen« mobilisieren, fehlt es dabei keineswegs an politischer Trennschärfe. Ihre Positionen haben sich an einigen Punkten denen der Linken angeglichen.