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Entlastete Fundamentalisten

USA. »Bürokratische Gründe«, erläuterte Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz in der vergangenen Woche, hätten die Regierung der USA dazu bewogen, das Problem irakischer Massenvernichtungswaffen als zentralen Kriegsgrund zu nennen, denn »es war der Grund, auf den sich alle einigen konnten«. Um die irakische Bedrohung glaubwürdig zu machen, sei die Defense Intelligence Agency (DIA) »ausgebeutet und missbraucht« worden, erklärte Patrick Lang, ehemaliger Direktor dieses Militärgeheimdienstes. Den DIA- und CIA-Vertretern habe jedoch der Mut gefehlt, sich dagegen zu wehren.

Glaubt man Wolfowitz’ neuen Einlassungen, war es ein »fast unbemerkter, aber wichtiger« Grund für den Irakkrieg, den Abzug der US-Truppen aus Saudi-Arabien zu ermöglichen. Den Saudis diese »Bürde« zu nehmen, werde »die Tür öffnen« für einen friedlicheren Nahen Osten. Entgegen den Empfehlungen der Neokonservativen betreibt das Pentagon also offenbar die Stabilisierung der fundamentalistischen Monarchie. Regimefeindliche Islamisten dürfte dieser indirekte Sieg jedoch eher ermutigen.

Verhütung der Sünde

Pakistan. »Obszönität und Vulgarität« will das islamistische Parteienbündnis MMA nicht länger dulden. Am Dienstag der vergangenen Woche brachte die MMA einen Gesetzentwurf zur Herrschaft der Sharia im von ihr kontrollierten Parlament der North West Frontier Province (NWFP) ein. Ein weiteres Gesetz zur Einführung einer Religionspolizei »zur Förderung der Tugend und zur Verhütung der Sünde« soll folgen.

Die Islamisten können sich darauf berufen, dass ihr Vorschlag nur eine gekürzte Version der 1991 von Premierminister Nawaz Sharif landesweit eingeführten Sharia-Regeln ist. Diese waren allerdings nur in wenigen Punkten angewandt worden. Solche Nachlässigkeiten sind in der NWFP nicht zu erwarten. Ungeduldige Islamisten haben mit CD- und Videoverbrennungen, der Vertreibung von Straßenmusikern und anderen tugendfördernden Aktivitäten der Arbeit professioneller Sündenverhüter schon vorgegriffen. Es fehlen aber unter anderem noch eine zinsfreie Wirtschaft und die Bestimmung, dass Frauen nicht mehr von Männern medizinisch behandelt werden dürfen.

Tödliche Armut

Sambia. Nur noch 33 Jahre beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung eines Sambiers, wie eine jüngst veröffentlichte Regierungsstatistik feststellte. Wegen der Armut und der schnellen Ausbreitung des HI-Virus sank sie seit 1990 um elf Jahre auf den niedrigsten Stand in der Welt. Doch obwohl täglich 200 Menschen an Aids sterben, leugnet die sambische Regierung einen Zusammenhang zwischen dieser Krankheit und den Besorgnis erregenden Zahlen. Schon bald werde die Infektionsrate deutlich sinken, verkündete Präsident Levy Mwanawasa kürzlich während der Investorensuche in Indien. Dabei gehen selbst sambische Amtsstatistiken von einer weiteren Verschlechterung der Situation aus.

Während der Einsatz billigerer, so genannter generischer Aidspräparate in anderen afrikanischen Ländern die Sterblichkeitsrate verringern half, ist die Bevölkerung Sambias zu arm für eine solche Behandlung. Drei Viertel der Bevölkerung leben von weniger als einem Dollar pro Tag. Deshalb sind für sie auch zwei andere von der Times of Zambia erwähnte »alternative Behandlungsoptionen« unerreichbar: »gesunde Ernährung und sauberes Wasser«.

Streik mit Folgen

Peru. Über 50 000 Menschen protestierten in der Stadt Puno am vergangen Freitag gegen den von Präsident Alejandro Toledo verhängten landesweiten Ausnahmezustand. Toledo wollte damit eigentlich dem Streik der maoistischen Lehrergewerkschaft ein Ende setzen, provozierte jedoch einen enormen Aufruhr. »Das ist der größte Aufmarsch, den Puno in den letzten 25 Jahren erlebt hat«, kommentierte der Kongressabgeordnete Javier Diez Canseco die Demonstration in der peruanischen Provinz, die auch in Lima und anderen Städten Unterstützung fand.

Am Tag vorher waren Militär und Polizei mit äußerster Härte gegen einige tausend Studenten vorgegangen, die versucht hatten, die Universität von Puno zu besetzen. Mindestens ein Demonstrant kam ums Leben, etwa 50 weitere wurden verletzt und über 200 festgenommen. Der Militäreinsatz könnte Toledo in weitere Bedrängnis bringen. Bereits vor der Eskalation unterstützte Umfragen zufolge nur jeder siebte Peruaner seine Politik. Sollten sich Meldungen der argentinischen Tageszeitung Pagina 12 bestätigen, ist jetzt auch noch die Polizei in Streik getreten. Während der Proteste am Tag nach den Ausschreitungen war jedenfalls kein Uniformierter auf den Straßen zu sehen.

Frische Politur

Kanada. Die Regierung präsentiert es als Liberalisierung, doch für die kanadische Fachzeitschrift Cannabis Culture ist das neue Gesetz »kaum mehr als ein wenig frische Politur für die Polizeistiefel«. Trotz Protest aus dem Lager der Konservativen und aus den USA legte Justizminister Martin Cauchon in der vergangenen Woche einen Gesetzesentwurf vor, der deutlich mildere Strafen für den Besitz kleinerer Mengen an Marijuana vorsieht. Wer weniger als 15 Gramm Gras oder 25 Hanfplanzen sein eigen nennt und sie nicht vor der Polizei zu verbergen weiß, soll künftig nur noch mit Geldstrafen zu rechnen haben.

Gleichzeitig soll die Strafe für den Besitz größerer Mengen aber verschäft werden. Die Regierung plant außerdem eine rund 180 Millionen Dollar teure Anti-Hanf-Kampagne. Kritiker bewerten das Gesetz als Rückschritt, denn bereits jetzt werden für den Besitz kleiner Mengen Gras nur Verwarnungen ausgesprochen. Von nun an soll jedoch ausnahmslos jeder Ertappte blechen.