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Schlechte Idee

Polen. Seit einiger Zeit wirbt der Bund der deutschen Vertriebenen vehement für ein Zentrum gegen Vertreibung, das in Berlin entstehen soll. Eine Idee, die in Polen nicht gerade auf Begeisterung stößt. Nun hat das polnische Parlament sogar internationalen Druck angemahnt. Die Mitglieder der Europäischen Union und des Europaparlaments sollten Versuchen entgegentreten, die Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und die Kriegsverbrechen »wegzuspülen«. Diese Erklärung verabschiedeten die polnischen Parlamentarier am Freitag vergangener Woche.

Staatspräsident Aleksander Kwasniewski schlug vor, ein europäisches Zentrum zu Vertreibungen auf dem Balkan zu errichten, weil es dort erst vor kurzer Zeit zu ethnischen Säuberungen und Vertreibungen gekommen sei. Er erklärte, er könne ein Vertriebenen-Zentrum auf europäischer Ebene akzeptieren, »wenn wir nicht vergessen, wer den Krieg provoziert hat, wer für die Toten verantwortlich ist, für die Tragödien, für den Holocaust«.

Zwei Tage zuvor wandte sich der polnische Senatssprecher Longin Pastusiak scharf gegen die Initiative einiger polnischer und deutscher Intellektueller, ein europäisches Zentrum in Polen zu errichten. Seiner Meinung nach dürfe es weder in Deutschland noch in Polen ein Museum über die Vertreibungen der Deutschen geben. Der Vorschlag, ein solches Zentrum im eigenen Land zu errichten, stößt auch bei der polnischen Regierung auf wenig Verständnis.

Guerilla-Schule

Frankreich. »Ich sehe nicht ein, warum man den Schulanfang unter das Zeichen einer Guerilla stellen sollte«, erklärte der französische Erziehungsminister Xavier Darcos am Wochenende in Le Monde. Darcos missfällt, dass für Dienstag dieser Woche, den ersten Schultag nach den Ferien, die Gewerkschaften die Lehrer zu Generalversammlungen aufgerufen haben. Die Unzufriedenheit an den Schulen ist nämlich groß. Die konservative Regierung hat trotz der großen Streikwelle im Frühjahr, an der vor allem Lehrer beteiligt waren, ihre Rentenpläne für den öffentlichen Dienst durchgesetzt und nur geringe Zugeständnisse bei dem Dezentralisierungsgesetz für die Schulen eingeräumt. Gut möglich also, dass die Ferien nur dazu genutzt wurden, um einen neuen Streik vorzubereiten.

Aktive Fluchthilfe

Argentinien/Spanien. Da die spanische Regierung das Auslieferungsgesuch nicht weitergeleitet hat, sind am Dienstag dieser Woche 40 Angehörige der letzten argentinischen Militärjunta (1976–1983) nach nur 40 Tagen Haft wieder entlassen worden. Der international bekannte Richter Baltasar Garzon hatte die Auslieferung beantragt. Er ermittelte gegen 39 ehemalige Militärangehörige und eine Zivilperson wegen Völkermordes, Terrorismus und Folter. Sie seien mitverantwortlich für Tausende getötete und »verschwundene« Regimegegner, so Garzon. Der stellvertretende spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy erklärte die Ablehnung des Gesuchs damit, dass die argentinische Justiz selbst in der Lage sei, den Anschuldigungen nachzugehen. In derartigen Fällen sehe ein Abkommen zwischen den beiden Ländern vor, Auslieferungsanträge abzulehnen.

Nachdem das argentinische Parlament kürzlich die Aufhebung zweier Immunitätsgesetze beschlossen hat, könnte den Verdächtigen in Argentinien der Prozess gemacht werden. Auch Präsident Nestor Kirchner hat sich dafür mehrfach stark gemacht. Nun muss noch das argentinische Verfassungsgericht seine Zustimmung geben – und das kann dauern. Bleibt zu hoffen, dass die Verdächtigen bis dahin nicht untergetaucht sind.

Billiger geht’s nicht

Slowakei. Die slowakische Regierung muss sich gut überlegen, ob sie auf die Forderungen von deutschen Wirtschaftsvertretern nach weiteren Investitionsanreizen nicht doch lieber eingehen sollte. Denn ein Teil der Investoren richtet den Blick bereits weiter nach Osten, beispielsweise in die Ukraine oder nach Weißrussland. Dort sind die Lohnkosten schließlich noch günstiger als in den neuen EU-Beitrittsländern. Doch niedrige Lohnkosten könnten schnell durch mangelnde Qualifikation der Arbeitskräfte, schlechte Infrastruktur oder fehlende Rechtssicherheit kompensiert werden – und das wissen auch die deutschen Investoren.

Bislang erfreut sich die Slowakei allerdings noch wegen ihrer gut ausgebildeten Arbeitskräfte und der dennoch niedrigen Löhnen, die unter dem Niveau in Polen und Tschechien liegen, großer Beliebtheit. Nachdem sich deutsche Konzerne bereits große Teile der ehemals staatlichen Monopole einverleibt haben – E.on, Ruhrgas und RWE sicherten sich Anteile im Energiesektor, die Deutsche Telekom kaufte sich in den Kommunikationsmarkt ein –, wird in den nächsten Jahren mit einem Expansionsboom mittelständischer Unternehmer gerechnet. Das Delegiertenbüro der Deutschen Wirtschaft und die Deutsche Botschaft bereiten sich darauf bereits vor. Sie wollen in Bratislava eine »Deutsch-Slowakische Kaufmannschaft« einrichten, die als Basis für eine später zu gründende gemeinsame Handelskammer dienen soll.

Tägliche Unfähigkeit

Großbritannien. Stromausfall? Sowas passiert doch nur in den USA. Zehntausende Londoner hatten am Donnerstag der vergangenen Woche Gelegenheit, in ihren liegen gebliebenen U-Bahnwaggons über die Selbstsicherheit nachzudenken, mit der Politiker und Medien das europäische Stromnetz priesen. Eine halbe Stunde lang war ein Fünftel der Londoner Stromversorgung zusammengebrochen. Der Chef des privatisierten Stromversorgers National Grid, Roger Urwin, bestritt energisch, dass mangelnde Investitionen seines Konzerns den »außergewöhnlichen Fehlschlag« verursacht hätten. Der sozialdemokratische Bürgermeister Ken Livingstone, ein Gegner der Privatisierungspolitik, ist sich da weniger sicher: »Wir haben uns gegen den Terrorismus gewappnet, aber nicht gegen Stromausfälle und die tägliche Unfähigkeit.«